Milch

Milch

In den 50er Jahren machte Milch müde Männer munter.

Etwas weniger konkret hieß es dann in den 80er und 90er Jahren Die Milch macht’s. Was genau sie macht, blieb unklar, bis in den 2000ern der Kampf zwischen Milch- und Sojalüge entbrannte.

Glaubt man der Sojaindustrie, ist Milch der größte Krankmacher seit unsere Vorfahren von den Bäumen kletterten, glaubt man der Milchindustrie, ist Soja das Produkt einer ernährungstechnischen Weltverschwörung zur Ausrottung der Menschheit.

Zeitung lesend und Kaffee trinkend im Wartebereich des Friseursalons frage ich mich müßig, warum immer alles gleich so extrem sein muß, während der Artikel vor meiner Nase mich darüber erleuchtet, weshalb es mir einfach nicht gelingt, aus Rindfleisch etwas anderes herzustellen als Schuhsohlen: Die Milch macht’s.

Nach dreißig Jahren habe ich nun also endlich eine Antwort auf die Frage, was die Milch macht: Schuhsohlen aus Rindfleisch.

Da wir Weltmeister der Milchproduktion sind, mit Hochleistungskühen, die statt wie früher 2500 kg Milch nun 10.000 kg Milch pro Jahr abwerfen, werden in unserem schönen grünen Land vorwiegend Milchkühe gezüchtet. Da aber statistisch gesehen mindestens jedes zweite Kalb ein männliches ist, das auch unter günstigsten Bedingungen einfach keine Milch produziert, hat man einen Überschuß an männlichen Milchrindern. Macht nix, die kann man ja dann für die Gulasch- und Steakproduktion verwenden, sagt der logisch und praktisch denkende Verstand.

Genau das tut man auch. Man zieht die Kälbchen im Schweinsgalopp groß und macht dann Steaks, Braten und Suppenfleisch aus ihnen.

Ah, denkt man, ganz klar: wenn die im Schweinsgalopp groß gezogen werden, liegt es natürlich daran, daß das Fleisch hinterher vorwiegend aus Wasser und zähen Fasern besteht. Wachstumshormone und so.

Die machen das alles natürlich nicht besser und das Fleisch nicht hochwertiger, doch das ist nicht der Kern des Problems. Der Kern des Problems ist tatsächlich, daß es sich um Milchrinder handelt. Die werden so gezüchtet, daß das ganze Fett in die Milch wandert statt ins Körpergewebe. Deswegen ist das Rindfleisch, das man so kauft, nicht marmoriert. Zwischen den Muskelfasern sitzt kein Fett, sondern nur – Wasser. Das entweicht naturgemäß beim Kochen, und übrig bleiben verspannte Muskelfasern. Verspannt deswegen, weil das Fleisch auch nicht mehr abhängt. Jedes Faultier weiß, wie wichtig Abhängen ist. Und jeder Metzger weiß es auch.

Beim Abhängen löst sich nämlich die Leichenstarre (ehrlich, die tritt auch bei Rindern ein) und Enzyme fangen an, die Faserstränge zu lösen. Je länger das Fleisch abhängt, desto zarter ist es hinterher.

Nur hat der Metzger keine Zeit mehr für sowas. Zeit ist Geld, das Fleisch muß schneller beim Verbraucher landen, nicht erst nach drei bis fünf Wochen.

Will man sich also nach dem Schmorprozeß den entgeisterten Blick in den Kochtopf ersparen („Wo ist denn das Fleisch??“), muß man sich marmoriertes Bratfleisch besorgen.

Aber wir waren ja bei der Milch.

Wir sind also Weltmeister der Milchproduktion und des -verzehrs, und neben dem Krieg zwischen Soja und Milch toben die Diskussionen um Laktoseintoleranz und Osteoporose.

Soja- oder andere Pflanzenmilch darf deswegen nicht „Milch“ genannt werden, weil Milch eben das Sekret ist, das Säugetiere zur Ernährung des Nachwuchses absondern.

Und dafür ist jede Muttermilch exakt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Nachwuchses zugeschnitten, enthält genau das perfekt passende Verhältnis von Enzymen, Immunglobulinen, Aminosäuren, Fetten und Kohlenhydraten – dem Milchzucker.

Kein normales Säugetierbaby leidet von Geburt an unter einer Laktoseintoleranz. Wir kommen mit dem Enzym Laktase im Dünndarm auf die Welt, damit wir verdauen können, was die Mutterbrust uns anbietet, sonst sind wir verloren.

Bei den meisten Menschen stellt der Körper im Laufe des Erwachsenwerdens die Laktaseproduktion ein – wozu soll er etwas produzieren, was nicht mehr gebraucht wird?

Deswegen ist es keine Krankheit und nicht unnormal, wenn ein Erwachsener laktoseintolerant ist, sondern schlicht die Ökonomie der Natur. Nichts tun, was keinen Zweck erfüllt.

Da wir jedoch im Laufe unserer historischen Entwicklung begonnen haben, die Milch anderer Säugetiere für uns zu nutzen, hat sich eine genetische Mutation gebildet: Ein großer Teil der Menschen in Ländern, in denen seit Jahrhunderten bzw. Jahrtausenden Milch verzehrt wird, fährt auch im Erwachsenenalter fort, Laktase zu produzieren.

Und hier beginnt die Argumentation der Milchgegner leider recht oft, ins Reich der Mythen und Märchen abzugleiten.

Der Mensch hat die eigenartige Tendenz zu glauben, Evolution sei ein Prozeß, der stattgefunden habe, bis wir den aufrechten Gang erlernten und anfingen, Feuersteine zu Faustkeilen zu verarbeiten, und der danach abrupt zum Halten gekommen sei.

Der Homo sapiens sapiens war irgendwann „fertig“ und hat sich danach nicht mehr weiterentwickelt. Also genetisch nicht mehr. Nur noch geistig.

Denkt man sich, wenn man die Entwicklung vom Faustkeil zum Tablet betrachtet.

Doch der Erfindungsgeist und Entdeckerdrang war auch zu Zeiten des Faustkeils nicht anders als heute, nur mußten wir damals zuerst einmal unseren Erfindungsgeist darauf verwenden, Möglichkeiten zu finden, uns nicht mehr pausenlos nur um die Futterversorgung und das Überleben kümmern zu müssen, damit wir dann Zeit haben, die Glühbirne und das Tablet zu erfinden.

Vor ungefähr 11.500 Jahren wurden Menschen seßhaft und begannen mit Ackerbau, Viehzucht und Vorratshaltung in größerem Stil.

Irgendwann im Rahmen dieser Neuerungen kam man dann auch auf die Idee, die Milch der domestizierten Tiere als Nahrungsquelle zu nutzen. Vielleicht hatte irgendwann eine Mutter nicht genügend Muttermilch und dachte sich, daß doch eigentlich die Ziege aushelfen könnte, die ja ihre Jungen auch mit Milch füttert. Milch ist Milch. Vermutlich hat es geklappt, und irgendwann wird man auf die Idee gekommen sein, daß auch für Erwachsene gut sein könnte, was für Babies gut ist. Milch immerhin hat den Vorteil, daß sie ein nachwachsender Rohstoff ist – wenn man die Ziege schlachtet, ist sie weg, aber melken kann man sie öfter …

Wie gesagt, der Mensch ist erfinderisch, und wenn er eine Nahrungsquelle findet, nutzt er sie.

In südwestasiatischen Keramikscherben des 7. Jahrtausends vor Christus hat man Rückstände von Milchfett gefunden, und in der Bibel stellte man sich das Gelobte Land vor als das „Land, wo Milch und Honig fließen“.

Milch war also etwas Kostbares.

Aber: Bis in die Neuzeit war Milch eher kein Getränk für Erwachsene. Man verwendete sie in Form von Käse oder fermentierten Milchprodukten. In Indien wird traditionell bereits seit mehr als 3000 Jahren Ghee benutzt, geklärte Butter.

Der älteste sichere Beleg für Käseherstellung wurde in Polen gefunden und läßt sich auf etwa 5500 v. Chr. zurück datieren.

Die Sumerer stellten zwischen 5500 und 4000 v. Chr. ebenfalls bereits Käse her.

Im alten Rom war Käse ein alltägliches Nahrungsmittel, man aß weißen Frischkäse, und die Soldaten hatten auf ihren Märschen trockenen Hartkäse als ideale, haltbare, eiweiß- und fettreiche Verpflegung dabei.

Damals handelte es sich zumeist um Ziegenkäse, gelegentlich auch Schafskäse. Kühe waren Zugtiere, keine Milchlieferanten.

Immerhin zeigt dieser Rückblick, daß der Mensch bereits seit mindestens 9000 Jahren die Milch anderer Säugetiere als Nahrungsquelle nutzt. Auch wenn das innerhalb der gesamten Menschheitsentwicklung nur eine kurze Zeitspanne ist, können sich in dieser sehr wohl genetische Veränderungen bilden. Wir benötigen keineswegs Jahrmillionen, um uns neuen Gegebenheiten physisch anzupassen.

Skelette von mitteleuropäischen steinzeitlichen Bauern um 5000 v. Chr. weisen noch keine Mutationen auf, doch Skelette aus der gleichen Region aus der Zeit um 3000 v. Chr. weisen bereits die Mutation der sogenannten Laktasepersistenz auf, also der Fähigkeit, auch im Erwachsenenalter noch Laktase produzieren und Milchzucker verdauen zu können.

Mittelalterlichen Skelette von einem Friedhof in Nordrhein-Westfalen aus der Zeit zwischen 950 und 1200 wiesen bereits zu 71% die Mutation der Laktasepersistenz auf. Heute beträgt sie in Deutschland ca. 70-80%, ist also ähnlich wie damals.

Anders in Ungarn: Während des gleichen Zeitraums im Mittelalter betrug die Laktasepersistenz dort damals nur 35%, verglichen mit heute 61%.

Milchprodukte zu sich zu nehmen ist also in Afrika, dem vorderen Orient, Indien und Europa keine Sache, die erst vor hundert Jahren entstanden ist.

Historische Überlieferungen und archäologische Funde weisen nicht darauf hin, daß die Menschen zwischen 5000 v. Chr. und 1800 n. Chr. vorwiegend an Zivilisationskrankheiten litten und starben, für deren Entstehen neuerdings die Milch verantwortlich gemacht wird. Die Menschen damals litten an Mangelerscheinungen aufgrund von grundsätzlichem Nahrungsmangel und starben bevorzugt an Infektionen, Unterernährung oder Verschleiß infolge zu harter Arbeit.

Wo also ist plötzlich das Problem?

Und hier schließt sich der Kreis, den ich mit dem Exkurs über Rindfleisch begonnen habe: Das Problem begann, als man herausfand, wie man Rohmilch haltbar macht, und anfing, Milchwirtschaft in richtig großem Stil zu betreiben.

Jeder Osteoporose-Ratgeber mahnt, daß wir mehr Milchprodukte zu uns nehmen sollen.

Da bleibt nur eine erstaunte Frage: Noch mehr??

Sie erinnern sich: Die ursprüngliche Milchleistung einer Kuh betrug in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts 2500 Kilogramm Milch pro Jahr. Eine moderne Turbo-Milchkuh produziert 10.000 Kilogramm Milch pro Jahr.

Viermal so viel – das allein kann einem Angst machen, finde ich.

„Man hat einen Milchberg,“ philosophierte die Biologie-Lehrerin im Bio-Unterricht Anfang der 80er Jahre (damit faßte sie Milchsee und Butterberg zusammen). Die Milchproduktion überstieg den Verbrauch und führte zu riesigen Überschüssen, die man irgendwie loswerden mußte.

Ich erinnere mich noch gut an das Kühlregal mit Milchprodukten damals. Eine halbe Reihe des insgesamt einen Kühlregals war reserviert für Milch, ein paar Sorten Joghurt, Quark, Dickmilch und Buttermilch, Sahne, Butter, Schoko- und Vanilledessert mit Sahnehäubchen und Milchschnitten.

Wenn man sich heute einmal im Supermarkt anschaut, was dort angeboten wird, und wenn man sich dann einmal überlegt, was man am Tag so alles ißt, wird man feststellen, daß da eine ziemlich beträchtliche Menge Milch zusammenkommt, die wir pro Tag konsumieren.

Im hiesigen großen Supermarkt werden allein in vier langen Regalreihen Milchprodukte angeboten: Allein die berüchtigte Milchschnitte hat eine wundersame Zellteilung mit mindestens fünf Mutationen durchlaufen und kommt nun als ein halbes Dutzend gekühlter Zucker-Fett-Milchpulver-Kuchen-Schoko-Riegel mit blumigen Namen daher.

Nicht zu reden von der explosionsartigen Vervielfältigung aromatisierter Milchdrinks, Joghurts, Quarkspeisen, „Milchzubereitungen“, Puddings.

Wir essen Käse und Butter auf der Stulle, gießen Milch in den Kaffee oder Tee, trinken Kakao, essen Milchschokolade, überbacken mit großer Begeisterung alles mögliche mit Käse, essen Milchdesserts in Form von Puddings, Joghurt oder „Milchzubereitungen“ und konsumieren verarbeitete Produkte, die allesamt nicht nur viel Zucker enthalten, sondern auch Milcheiweiß, wo man es gar nicht suchen würde.

Nicht zu vergessen die vielen auch bei Erwachsenen beliebten Kindersüßigkeiten, die sich als „Extra-Portion Milch“ tarnen. Die bestehen zwar meistens vorwiegend aus Zucker und Fett, aber sie enthalten auch in der Regel minderwertiges Milcheiweiß. Und wenn der Körper lernt, Milcheiweiß mit ernährungstechnischem Müll zu assoziieren, wundert es nicht, wenn man plötzlich Unverträglichkeiten gegen Milcheiweiß entwickelt …

Als ich neulich mal nachguckte, was denn in den unglaublich teuren glutenfreien Tiefkühl-Tortellini so drin ist, staunte ich nicht schlecht: In der Mortadella, die dort verarbeitet wurde, ist Milcheiweiß. In der Mortadella – der Wurst, nicht Mozzarella, dem Käse.

Seit dem Jahr 2000 ist laut Milchindustrie-Verband der Verbrauch an Frischmilch (also Trinkmilch, Buttermilch, fermentierten Milchprudukten wie Joghurt und Kefir, sowie Milch-Mischerzeugnissen) von 94,3 kg pro Kopf auf 90,5 kg pro Kopf gesunken.

Auch der Verbrauch von Butter ist von 6,4 kg auf 6,0 kg gesunken.

Dafür ist der Verzehr von Käse von 21,6 kg auf 24,4 kg gestiegen.

In dieser Statistik ist aber nur das erfaßt, was man tatsächlich als „Milchprodukte“ zu sich nimmt. Da ist noch nicht die Wurst drin, die mit Milcheiweiß aufgearbeitet wurde, und auch nicht all das, was wir an Gebäck, Milchschokolade, Joghurtgummies und sonstigen Produkten zu uns nehmen, die Milcheiweiß, Milchzucker, Molke oder sonstige Milchbestandteile enthalten. Das sind nämlich im Prinzip so ziemlich alle industriell gefertigten Nahrungsmittel. Es ist nahezu unmöglich, Milchbestandteile zu meiden, wenn man fertige Produkte kauft.

Gleichzeitig wird Osteoporose zur neuen Volksseuche, und die neueste Studie weist darauf hin, daß hoher Konsum von Milchprodukten mit erhöhtem Risiko für Osteoporose, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen einhergeht.

Das Kalzium aus der Kuhmilch ist für uns gar nicht richtig resorbierbar, und außerdem nehmen wir ohnehin nicht zu wenig Kalzium zu uns, sondern zu wenig Magnesium, Vitamin D und Vitamin K.

Will man etwas für seine Knochen tun, ist man mit grünem Gemüse erwiesenermaßen sehr viel besser bedient.

All diese Probleme hatten Menschen früherer Zeiten, die ebenfalls Käse und Butter aßen, komischerweise nicht. Ältere Frauen nach der Menopause (doch, die gab’s auch im Mittelalter gelegentlich) hatten archäologischen Funden zufolge auch nicht öfter und schlimmer Osteoporose als bis vor zehn Jahren, und wenn, dann vor allem, weil sie in unseren nördlichen Breiten unter Vitamin D – Mangel litten.

Und dann gibt es da noch das sogenannte „Alpenparadox“: Bewohner von Bergregionen mit einem hohen Verzehr fettreicher Milchprodukte weisen eine besonders geringe Rate von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.

Wie also ist das alles einzuordnen?

Unser Massenverzehr von Milchprodukten geht natürlich mit einer drastischen Qualitätsminderung der Milch einher. Keine Kuh produziert von Natur aus 10.000 Kilo Milch pro Jahr.

Artgerecht gehaltene Almkühe, die gemütlich ihre Alpenkräuter rupfen, produzieren erheblich weniger Milch als ihre Hochleistungs-Artgenossen im Stall, die mit Kraftfutter, Silo, Wachstumshormonen und Antibiotika gedopt werden. Dafür ist die Qualität ungleich besser.

Die Milch von Kühen, die auf Kräuterwiesen weiden, enthält wesentlich mehr Omega-3-Fette und weniger Omega-6-Fette als die Milch ihrer Turbo-Kollegen. Somit hat sie ein wesentlich geringeres entzündungsförderndes Potential als die Milch, die wir im Supermarkt bekommen. Selbst Bio-Milch kommt meistens nicht an diese Qualität heran, weil Biokühe zwar ökologisch gehalten werden, aber nicht zwangsläufig auf Kräuterwiesen weiden.

Was übrigens die Osteoporose betrifft: Mittelalterliche Frauen hatten im gebärfähigen Alter eine geringere Knochendichte als heute. Sie stillten ihre Babies, was ihre eigene Substanz angriff, da die Ernährung damals nicht übertrieben üppig war.

Das weiß man aus Untersuchungen an mittelalterlichen Skeletten von Frauen, die im gebärfähigen Alter gestorben sind (Tod im Kindbett war damals sehr häufig).

Überlebten die Frauen die Geburten und schafften es bis in die Menopause, nahm die Knochendichte erstaunlicherweise wieder zu.

Warum?

Die Frauen verloren keine Nähstoffe mehr an Kinder, die sie stillen mußten, und sie arbeiteten körperlich.

Das beste Mittel gegen Osteoporose ist Bewegung mit Muskelaufbau.

Das weiß man heute längst, aber daran verdient die Milchindustrie nicht.

Es gibt Vermutungen, daß Casein, also das Haupt-Protein in Kuhmilch, ähnlich wie Weizeneiweiß die Blut-Hirnschranke passieren und damit für Erkrankungen wie Autismus oder auch vermehrtes Auftreten von ADHS mit verantwortlich sein könnte. Tatsächlich hat man Erfolge mit gluten- und milchfreien Diäten bei autistischen Kindern und auch bei Kindern mit ADHS.

Die genauen Mechanismen und Zusammenhänge sind dabei aber noch nicht bekannt, weshalb man von diesen Fällen nicht grundsätzlich darauf schließen kann, daß Milcheiweiß Gift für den menschlichen Organismus ist. Zumal es das ja jahrtausendelang offensichtlich nicht war.

Grundsätzlich ist jedes Allergen ein Eiweiß, doch da der Körper Eiweiß lebensnotwendig braucht, kann man sicherlich nicht den Umkehrschluß ziehen, daß Eiweiß grundsätzlich Gift für uns ist.

Vielmehr muß man sich fragen, welche Faktoren dazu beitragen, daß manche Menschen bestimmte Eiweiße nicht tolerieren und daß diese Erscheinungen immer häufiger auftreten.

Auch hier muß man letztendlich wieder das Gesamtbild sehen: Unsere gesamte Ernährung und Umwelt hat sich in den letzten siebzig Jahren drastisch verändert. Wir nehmen Stoffe zu uns, deren Namen wir nicht einmal aussprechen können, und wir sind zunehmend davon abgerückt, uns unser Essen aus unverarbeiteten Nahrungsmitteln selbst zu machen.

Wir sind Pestiziden und anderen Umweltbelastungen ausgesetzt, essen zu viel Zucker, zu viele schlechte Fette, zu viel Industriemüll, durch den Stoffe wie Milcheiweiß unablässig auf unseren Organismus einprasseln – etwas, das der mittelalterliche Mensch nicht kannte, weil er eben sein Stück Käse gegessen hat und seinen Kohl und seinen Hirsebrei – ohne Zusatzstoffe. Der hatte praktisch keine Chance, irgendwelche Unverträglichkeiten zu entwickeln.

Und obendrein haben wir auch noch viel zu wenig Bewegung.

Wie soll ein Stoffwechsel, der immer nur auf Stand-by steht und unablässig von irgendwelchem Müll belästigt wird, dauerhaft gesund sein?

Was ist die Schlußfolgerung?

Milch ist kein Getränk. Es wird zwar niemanden, der nicht laktoseintolerant ist oder unter einer Casein-Unverträglichkeit leidet, umbringen, ab und zu einen Cappuccino zu trinken, wenn man sich ansonsten vernünftig ernährt und bewegt, aber als regelmäßiges Getränk hat Milch in unseren Gläsern ebenso wenig verloren wie Limonade.

Auch nicht in den Gläsern von Kindern.

Wenn weder eine Laktoseintoleranz noch eine Milcheiweiß-Unverträglichkeit vorliegen, ist nichts gegen maßvollen Konsum von Milchprodukten einzuwenden – allerdings sollten es bevorzugt Produkte aus biologischer Weide-Milch sein.

Betonung auf maßvoll – vermeiden sollte man alle verarbeiteten Produkte, die Milch und Milcheiweiß enthalten. Statt dessen möglichst naturbelassene Produkte wie Käse aus Weidemilch oder fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Kefir, aber auch Sauermilch und Buttermilch ohne irgendwelche Zusätze. Also auch keine vorgefertigten Fruchtjoghurts – die kann man sich nämlich sehr viel besser selbst machen.

Wenn Milchprodukte, dann als moderate Eiweiß- und Fettquelle. NICHT als Kalziumquelle zur vermeintlichen Osteoporose-Vorsorge!

Die Kombination von Milchprodukten und Fleisch sollte vermieden werden, weil die unterschiedlichen Eiweiße sich gegenseitig behindern. So wird etwa auch die Eisenaufnahme aus Fleisch durch Milchprodukte behindert (durch Soja übrigens auch).

Eine Alternative zu Kuhmilchprodukten können Schaf- und Ziegenmilchprodukte sein, da diese teilweise weniger Casein enthalten beziehungsweise sich grundsätzlich für manche Menschen als verträglicher erwiesen haben (was auch wieder mit der Qualität infolge der Tierhaltung zusammenhängen könnte). Aber das ist in der Regel eine Sache des Ausprobierens, da man es ebenso wie viele Unverträglichkeiten noch nicht so recht objektivieren und durch Tests beweisen kann.

Auch für Milchprodukte gilt, was für die meisten seit Jahrtausenden „erprobten“ Lebensmittel gilt: Nicht das Produkt an sich ist das Problem. Entscheidend sind die Qualität, die aufgenommene Menge, und die Form, also die Verarbeitung.

Zum Schluß noch eine Tabelle mit den Gehalten an Wasser, Kohlenhydraten, Fett und Eiweißen von Kuh-, Schaf- und Ziegenmilch:

Milch: Wasser Kohlenhydrate Fett Eiweiße

Mensch: 87,2% 7,0% 4,0% 1,5%

Kuh: 87,5% 4,8% 3,5-4,0% 3,5%

Schaf: 82,7% 6,3% 5,3% 4,6%

Ziege: 86,6% 3,9% 3,7% 4,2%

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