Das süße Leben

Das süße Leben

Weihnachten lugt um die Ecke, und damit auch die Verführung in Form von Lebkuchen, Spekulatius und Weihnachtsschokolade.

Dem Italiener, wenn er von la dolce vita spricht, schwebt eher nicht der Zuckerstreuer vor.

Auch nicht eine Tüte Gummitiere, Pralinen oder Amarettini.

Obwohl die Amarettini vielleicht schon etwas damit zu tun haben könnten – insofern als sie untrennbar mit Espresso, Genuß und Seele-baumeln-lassen verbunden sind.

La dolce vita ist ein Gefühl und entsteht in erster Linie im Kopf.

Und erst in zweiter Linie spielen darin eßbare Dinge eine Rolle.

Leider ist uns diese Weisheit mit steigendem Zuckerkonsum mehr und mehr verloren gegangen.

Es ist ja auch so verlockend einfach, sich das Leben mit Zucker zu versüßen.

Nicht Zucker, sagen Sie, sondern Schokolade?

Irrtum.

Das, was den momentanen Kick gibt und süchtig nach Mehr macht, ist nicht der Kakao, sondern der Zucker in der Schokolade.

Je höher der Zuckeranteil, desto höher das Suchtpotential.

Je höher der Kakaoanteil, desto geringer das Suchtpotential.

Den meisten Menschen fällt es unerklärlich schwer, nach einem Riegel Vollmilchschokolade aufzuhören. Die zarteste Versuchung, seit Kühe lila sind, gibt erst dann Ruhe, wenn sie in unserem Magen verschwunden ist, und zwar komplett.

Bis zum nächsten Tag.

Versucht man das gleiche mit 70 oder 80 prozentiger Bitterschokolade, kann sie noch so schmelzend sein, man hört in der Regel auf, bevor die Tafel vollständig vertilgt ist.

Die Vorliebe für Süßes scheint uns angeboren zu sein: Bereits Babies reagieren mit einem Lächeln auf süße Flüssigkeiten.

Das erscheint auch entwicklungsgeschichtlich recht einleuchtend: Süß bedeutet zum einen „ungiftig“, zum anderen „schnell verfügbare Energie“.

Als Jäger und Sammler, der ständig auf Achse ist, kann man jede schnell verfügbare Energie gut gebrauchen – nur für den Fall, daß man den gemütlichen aeroben Trab mal unterbrechen muß, um ganz schnell vor einem Säbelzahntiger davonzurennen. Das klappt nur mit schnell verfügbarer Energie, nicht mit Dauerbrennstoff wie Fett.

Bei den Jägern und Sammlern war das Verhältnis Nahrung-Bewegung genau umgekehrt wie heute: Sie hatten eher wenig Nahrung und viel Bewegung, während wir heute sehr viel Nahrung und sehr wenig Bewegung haben.

Und blöderweise haben wir genau von dem, was früher eher knapp, heiß begehrt und aufgrund der vielen Bewegung unproblematisch war, heute viel zu viel: Süßes. Zucker.

Ein Unglücksfall, den die Evolution nicht vorgesehen hat.

Aber gut, das können wir uns mit unserem hervorragend entwickelten Gehirn ausrechnen: Wir brauchen nicht mehr viel schnell verfügbare Energie, also lassen wir sie weg, es gibt ja weiß Gott genug anderes zu essen.

Sagt unser Verstand.

Und an diesem Punkt wird mir ein großer Teil der Bevölkerung zustimmen, wenn ich sage, daß dieses Wissen nix nützt. Überhaupt nix.

Der Verstand sagt „Zucker ist ungesund“, das Gefühl sagt, „Rutsch mir den Buckel runter, ich will Schokolade. JETZT!“

Was ist da schon wieder schief gelaufen??

Entgeistert müssen wir feststellen, daß Süßes süchtig machen kann.

Der gute Vorsatz, keine Schokolade zu essen und deswegen auch erst gar keine zu Hause zu haben, endet im mitternächtlichen Notkauf an der Tankstelle, und beschämt verdrängt man die Tatsache, daß dies in fataler Weise dem Verhalten des verzweifelten Junkies gleicht, der nachts zum Bahnhof schleicht, um einen Dealer zu finden.

Immerhin sind Schokolade und Weingummies selbst an der Tankstelle nicht so teuer, daß man deswegen in Beschaffungskriminalität abgleiten muß, aber dennoch – das miese Gefühl, von dem Zeug abhängig zu sein, ist eigentlich nicht wirklich besser.

Da gibt es nun zum einen die wundervolle Erklärung mit dem Insulinspiegel, der durch ständigen Zuckerkonsum dauerhaft in die Höhe getrieben wird und uns deswegen von einer Heißhungerattacke in die nächste treibt.

Das ist natürlich irgendwie richtig.

Hoher Zuckerkonsum hält die Bauchspeicheldrüse im dauerhaften Alarmzustand, sie produziert wie wild Insulin, und zwar mehr als akut benötigt, und wenn der Zucker weg ist, bleibt immer noch Insulin übrig, das weiter beschäftigt werden will. Also überfällt uns neuer Heißhunger, wir schieben den nächsten Schokoriegel hinterher, und das ganze geht wieder von vorn los.

Das zu durchbrechen ist einfach, und die Lösung ist heutzutage auch fast jedem bekannt (auch wenn man sie gern verdrängt): Man muß sich lediglich auf eine kohlenhydratreduzierte Ernährung umstellen, die genügend gute Fette und Eiweiße enthält und nur solche Kohlenhydrate, die den Blutzucker- und damit den Insulinspiegel nicht stark ansteigen lassen.

Sind Blutzucker- und Insulinspiegel gleichmäßig, ohne starke Spitzen nach oben oder unten, erleidet man keine Heißhungeranfälle mehr.

Doch auch wenn es keine Heißhungeranfälle mehr gibt, kein plötzliches Unterzuckern, das zum verzweifelten Griff nach dem Keksriegel führt, ist das sehr häufig nicht die Lösung.

Man will trotzdem die Schokolade, Pralinen, Weingummies oder Eiscreme.

Auch diese Erfahrung werden viele kennen: Will man Schokolade, nützt es überhaupt nichts, statt dessen ein paar Möhren oder einen Apfel zu knabbern.

Man will die Schokolade dann immer noch.

Aber warum?

Forscher haben Probanden in die MRT-Röhre gelegt und nachgeschaut, was im Gehirn passiert, wenn „Zuckersüchtige“ Bilder von Süßigkeiten beziehungsweise Äpfeln sehen.

Und siehe da, Bilder von Süßigkeiten aktivierten die gleichen Areale, die auch bei einem Kokainsüchtigen aktiv sind. Der Apfel hingegen tut das nicht.

Was heißt das?

Wir haben im Gehirn ein sogenanntes Belohnungszentrum, das einen Botenstoff namens Dopamin ausschüttet, wenn es aktiviert wird. Und aktiviert wird es eben durch Dinge, die wir als Belohnung empfinden, die uns ein Wohlgefühl vermitteln.

Essen an sich löst eine mäßige Reaktion des Belohnungszentrums aus, wie jeder weiß: Nach dem Essen ist man zufrieden.

Zucker hingegen tut dies – bei Zuckersüchtigen – in ebenso starkem Maße wie Alkohol, Nikotin oder Heroin bei Alkoholikern, Rauchern oder Heroinsüchtigen. Es löst eine extrem starke Reaktion aus, das heißt, es wird richtig viel Dopamin ausgeschüttet, und der Körper gerät in einen Glücksrausch.

Normalerweise ist das Belohnungszentrum dazu da, uns zu motivieren. Wenn wir uns, nach einem leckeren Essen oder einer gut erledigten Aufgabe, befriedigt fühlen, ist das ein erstrebenswertes Gefühl, das wir wieder erleben wollen. Dadurch sind wir motiviert, weiterzumachen.

Die Natur hat uns also vernünftigerweise mit einem Motivationssystem ausgestattet, das dafür sorgt, daß wir auf die Bärenjagd gehen und nicht einfach auf der faulen Haut liegen bleiben und verhungern.

Etwas wie Drogen allerdings war in dieser Form nicht für unsere Baureihe vorgesehen. Drogen fluten unser Belohnungszentrum gewissermaßen und sorgen, ohne daß wir viel dafür tun müssen, für eine derartige Dopaminausschüttung und damit einhergehend für ein derartig starkes Befriedigungsgefühl, daß wir danach süchtig werden. Wir brauchen dieses Gefühl immer wieder, und das ist in dieser Intensität durch fast nichts sonst zu erreichen außer durch die entsprechende Droge.

Leider gehört Zucker zu den Substanzen, die dies bewirken können. Nicht immer und nicht bei jedem, aber Menschen, die eine genetische Veranlagung zu Suchtverhalten haben und auch Menschen, die irgendeinen Mangel in ihrem Leben durch eine „Ersatzdroge“ befriedigen müssen, laufen Gefahr, in die Zuckerfalle zu tappen.

Immerhin lernen wir meistens schon als Kinder, daß Schokolade tröstet.

Und das ist auch der Grund, warum so hübsche Ideen wie Ernährungsumstellung und Karotte statt Schokoriegel in diesem Fall nicht funktionieren.

Ist man nach Zucker süchtig, kann man dieses Suchtmittel ebenso wenig durch etwas Gesundes ersetzen wie Kokain.

Naja, mag man sagen, aber Zucker ist ja nun nicht mit Kokain oder Heroin zu vergleichen, und auch nicht mit Alkohol oder Nikotin!

Nein?

Doch.

Man sitzt vielleicht nicht bekifft in der Ecke und erleidet auch keinen Vollrausch mit vollem Kontrollverlust.

Aber die Spur der Verwüstung, die Zucker durch unseren Körper zieht, ist nicht geringer als die, die durch Drogen, Alkohol und Nikotin verursacht wird.

Man kann es nur im Alltag besser verdrängen.

Die Arbeit ist erstmal nicht beeinträchtigt, wenn man viele Süßigkeiten ißt. Man ist ja geistig voll dabei.

Man muß auch nicht alle halbe Stunde nach draußen rennen, um sich eine anzustecken.

Man kann ganz gemütlich im Büro, oder wo immer man sonst arbeitet, Schokolade, Gummibärchen, Kekse oder sonstige Süßigkeiten essen, und irgendwie findet das auch fast keiner seltsam, denn unser Alltag ist an allen Ecken überschwemmt von Süßkram.

Ich staune immer wieder, wenn ich höre, wir würden heutzutage zu viel Fleisch essen, und das sei die Ursache all unserer Zivilisationskrankheiten.

Unser jagender und sammelnder Vorfahr hat auch viel Fleisch gegessen, aber der hatte keine Zivilisationskrankheiten.

Der hatte aber auch nicht drei Regalreihen gezuckerter Milchprodukte, fünf Regalreihen Süßigkeiten, eine Regalreihe Kuchen, eine Reaglreihe Backzutaten zum Kuchen- und Keksebacken, eine Regalreihe gesüßter Kaffeegetränke in Pulverform, zehn verschiedene Zuckerarten, eine Regalreihe gesüßte Dosenfrüchte, eine Regalreihe Marmelade, eine Regalreihe gezuckerte Frühstücksflocken und drei Regalreihen gesüßte Obstsäfte und Limonaden in seinem Supermarkt.

Ach ja, der hatte ja gar keinen Supermarkt.

Also jedenfalls staune ich, wenn ich all diese Regalreihen mit der mickrigen Fleischtheke und der einen Regalreihe Wurstwaren vergleiche.

Hatte ich schon die Tiefkühlreihe mit der Eiscreme und den Torten erwähnt?

Na, macht ja nichts.

Das waren ja auch nur die süßen Zuckerprodukte.

Da waren noch nicht die ganzen Produkte mit kurzkettigen Stärken drin, die unser Körper im Handumdrehen auch in einzelne Zucker zerlegt. Pizza. Und Pasta. Und Brot. Insgesamt noch einmal fünf Reihen.

Plus natürlich der Automat, der innerhalb von zehn Minuten ein „frisches“ Brot oder Brötchen aus tiefgekühlten Industrie-Teiglingen bäckt.

Wie oft – außer während einer Schwangerschaft vielleicht – kommt es vor, daß jemand voller Verzweiflung nachts zur Tankstelle rennt, weil er unbedingt genau jetzt nicht ohne seine Mini-Salami auskommt?

Nicht so oft, schätze ich.

Aber zurück zum Zucker.

Wußten Sie, daß eine durch zu hohen Zuckerkonsum verursachte Fettleber wesentlich häufiger vorkommt als eine durch Alkohol verursachte? Den meisten Menschen wäre die durch Alkohol verursachte vielleicht peinlicher, aber unter dem gesundheitlichen Aspekt ist es völlig egal, wodurch die Leber verfettet.

Die sogenannte nicht alkoholische Fettleber geht in der Regel mit Übergewicht einher und erhöht das Risiko, an Typ-2 Diabetes zu erkranken.

Der Körper kann nur eine begrenzte Menge Zucker auf einmal in Energie umwandeln. Nimmt man mehr auf als akut benötigt wird, wandelt er den Zucker in Fett um, weil er ihn nur in dieser Form lagern kann.

Das kann man sich ganz einfach vorstellen, wenn man sich vor Augen hält, wie man die Leber von Gänsen oder Enten zum Verfetten bringt, um foie gras zur Herstellung von Gänse- oder Entenleberpastete zu erhalten: Mit einer Magensonde wird den armen Tieren 21 bis 28 Tage lang drei bis vier Mal täglich zwangsweise ein Nahrungsbrei aus 95% Mais und 5% Schweineschmalz in den Magen gepreßt, wodurch die Leber verfettet und auf das Vier- bis Sechsfache ihrer normalen Größe anwächst. Und das liegt nicht an den 5% Schmalz.

Wir werden nicht gegen unseren Willen genudelt, sondern essen freiwillig zu viel Zucker und Stärke, aber das Endergebnis ist häufig ähnlich.

In der Regel merkt man die Folgen zuerst am Hosenbund und dann beim Blick auf die Waage.

Doch selbst wenn man kein Übergewicht entwickelt, fügt man sich, wenn man nicht wirklich viel Sport treibt, mit großen Zuckermengen Schaden zu. Gerade Frauen neigen dazu, andere Mahlzeiten auszulassen, um „sündigen“ zu dürfen, ohne daß sich dies auf der Waage niederschlägt. Doch dies ist leider eine Milchmädchenrechnung.

Ein untergewichtiges Model kann einen höheren Körperfettanteil haben als eine normalgewichtige Sportlerin.

Dies wird mit zunehmendem Alter immer problematischer, da man ohne Training bereits ab dem 20. Lebensjahr kontinuierlich an Muskelkraft und -masse verliert. Zuerst nur wenig, doch ab dem 50. Lebensjahr beschleunigt sich dieser Prozeß.

Zucker wird im Körper nur als Fett gespeichert (abgesehen von der kleinen Glykogenreserve in der Leber und den Muskeln), er kann nicht zum Muskelaufbau verwendet werden. Daher geht es den Muskeln auch dann an den Kragen, wenn man zwar nicht zu viele Kalorien zu sich nimmt, diese jedoch fast ausschließlich in Form von Zucker (dazu gehören auch Brot, Kartoffeln, Pasta usw.) und ohne nennenswerte sportliche Betätigung.

Ein ungünstiges Verhältnis von Muskel- und Fettmasse jedoch, also wenig Muskeln und viel Fett, fördert die Entzündungsbereitschaft des Körpers, erhöht das Risiko für Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

Auch anderen degenerativen Erkrankungen außer Osteoporose wird auf diese Weise erheblich Vorschub geleistet: Alzheimer und sonstigen Formen von Demenz, Parkinson, MS oder rheumatischen Erkrankungen.

Insbesondere Alzheimer scheint sehr stark durch hohen Zuckerkonsum begünstigt zu werden, so daß manche sogar schon von Alzheimer als „Typ-3-Diabetes“ sprechen.

Das soll nun keine Angst einjagen, sondern schlicht und ergreifend zeigen, daß Zucker nicht weniger gefährlich für die Gesundheit ist als Alkohol, Nikotin oder Heroin und daß, wenn man sich in der Zuckerfalle befindet, Handeln angesagt ist.

Für manche funktioniert es tatsächlich, einfach auf eine kohlenhydratreduzierte Ernährung umzusteigen, in der Kohlenhydrate vor allem in Form von Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten und höchstens mäßigen Mengen Vollkorn aufgenommen werden.

Erfahrungsgemäß verliert sich der Süßhunger nach einer gewissen Zeit, wenn man auf weißes Mehl und Zucker verzichtet, ausreichend hochwertiges Eiweiß und hochwertige Fette zu sich nimmt und sich regelmäßig bewegt.

Funktioniert dies nicht, muß man herausfinden, welchen Mangel man durch den Konsum von Süßigkeiten auszugleichen versucht, und dann alternative Strategien finden, um mit diesem Mangel umzugehen.

Und hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder am Anfang: Das süße Leben – la dolce vita – ist ein Gefühl, eine Lebensart, die zu allererst im Kopf beginnt.

Man kann lernen, die Süße des Lebens anderswo zu finden als in Süßigkeiten, und man kann auch lernen, dabei trotzdem Süßes zu genießen, ohne suchtähnliches Verhalten an den Tag zu legen, nicht vor dem Ende der Schokoladentafel aufhören zu können, ein schlechtes Gewissen zu bekommen und obendrein dick und diabetisch zu werden oder gar Krebs zu entwickeln.

Wenn Sie nun sagen, das alles trifft ja gar nicht auf mich zu, ist das wunderbar.

Allerdings muß man sich bewußt sein, daß wir heutzutage sehr viel versteckten Zucker aufnehmen, ohne daß wir es merken.

Zucker steckt nicht nur in süßen Nahrungsmitteln, sondern verbirgt sich auch in so unwahrscheinlichen Dingen wie Wurst.

Viele Menschen sind der Überzeugung, sich doch recht vernünftig zu ernähren, und tatsächlich essen sie auch kaum Schokolade, Kekse, Kuchen oder süßes Gummizeug. Und dennoch kämpfen sie mit Pfunden, fühlen sich nicht fit, entwickeln scheinbar unerklärliche Zipperlein oder auch größere Leiden, bis hin zum Krebs, der sie aus heiterem Himmel trifft, obwohl sie doch immer „ganz solide gelebt haben“.

Wie gesagt, Zucker nehmen wir auch zu uns, wenn wir stärkehaltige Produkte essen, also Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis.

Vollkorn hat sicherlich den Vorteil, reicher an Mineralien und einigen Vitaminen zu sein als Weißmehl, und es wird auch vom Körper nicht so schnell in Glucose umgewandelt wie Weißmehl. Aber dennoch ist auch Vollkorn am Ende nichts anderes als Glucose – und davon benötigen wir einfach nicht so viel, wie wir im allgemeinen zu uns nehmen.

Und auch der Steak-Typ hat oft ein Problem, nämlich in Form von Ketchup, der uns mit zwei Stücken Würfelzucker pro Eßlöffel versorgt.

Oder mein Schwager, der Süßigkeiten nur in Form von Eiscreme zu mögen glaubt, die er nur ganz selten ißt.

Aber er trinkt statt Wasser Orangensaft, abends ein Bierchen, und ohne seine Kartoffel am Mittag geht gar nichts.

Ein Liter Orangensaft hat so viel Zucker wie ein Liter Cola, nämlich 8-10 Gramm pro 100 Milliliter. Also 80-100 Gramm Zucker am Tag. Plus die Stulle zum Frühstück, die Kartoffeln am Mittag, die Stulle und das Bierchen am Abend.

Sie verstehen, was ich meine?

Versteckte Zucker sind gemein, weil wir sie erstmal mühsam suchen müssen, um ihnen aus dem Weg gehen zu können.

Und dann sind da die Tricks der Industrie, die vertuschen will, wie viel Zucker sie in alle Produkte hinein mischt.

Preist den gesunden Joghurt an, der nur „natürliche Süße aus Früchten“ enthält.

Die „natürliche Süße aus Früchten“ ist nichts weiter als Zucker, der aus Früchten extrahiert wurde (in der Zutatenliste steht dann so etwas wie: „Zuckerauszug aus Trauben“).

Nicht zu vergessen, daß alle Produkte seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts um durchschnittlich 20% süßer geworden sind.

Anders gesagt, die Schokolade, die 1980 vielleicht 30 Gramm Zucker pro 100 Gramm enthalten hat, enthält heute 36 Gramm.

Und das gilt traurigerweise auch für Bio-Produkte. Ganz einfach deshalb, weil unsere Geschmacksknospen so sehr an ultra-süßen Geschmack gewöhnt wurden, daß wir einfach nur süß nicht mehr für süß genug halten.

Als Kind in den 70er Jahren habe ich von meiner Oma zu Weihnachten immer eine Tafel Feodora Vollmilch-Schokolade geschenkt bekommen. Die mochte ich, weil sie einen recht dunkel-schokoladigen Geschmack hatte und nicht so süß war wie die lilafarbene Konkurrenz (obwohl die damals auch nicht so süß war wie heute).

Als ich vor kurzem in einem Anfall von Nostalgie eine solche Tafel Feodora Vollmilch-Schokolade kaufte (jaja, ich bin auf das Sonderangebot hereingefallen), spuckte ich gleich den ersten Bissen entgeistert wieder aus. Das Zeug schmeckte völlig anders als damals.

Starrsinnig wie ich bin, wollte ich mein Nostalgie-Erlebnis nicht einfach so aufgeben und investierte in eine weitere Tafel. „Dunkle Vollmilch“ dieses Mal, mit 50% Kakaoanteil.

Und siehe da, die schmeckte tatsächlich so, wie ich sie in Erinnerung hatte.

Das, was früher sozusagen das süßeste Ende der Süß-Skala war, ist heute ein bis zwei Etagen nach oben Richtung „zartbitter“ gerutscht.

Und so ist es eben auch mit Kuchen, Keksen, Joghurt, Eiscreme und sonstigen Süßspeisen.

Ach ja, und natürlich hat der Magerwahn der letzten Jahrzehnte dazu geführt, daß Lebensmitteln mehr und mehr Zucker zugesetzt wurde.

„Light“-Produkte enthalten zwar wenig Fett, aber damit sie überhaupt nach etwas schmecken, hat man sie statt dessen mehr gesüßt. (Im Fall von Käse natürlich gesalzen. Aber das ist ein anderes Kapitel.)

Inzwischen weiß man, daß Zucker fett macht, nicht Fett, aber die Industrie zuckert munter weiter. Zucker ist billig und zieht Konsumenten an wie die Zuckerfalle Fliegen anzieht. Na sowas.

Wenn Sie lernen wollen, Ihren Umgang mit Zucker zu verändern, gibt Ihnen das nächste Kapitel ein paar praktische Tips zur Vermeidung von verstecktem Zucker, zum Ersetzen von Zucker, und auch Ideen, wie man lernen kann, einer „Zuckersucht“ beizukommen.

Und das alles natürlich am besten, ohne sich zu quälen.

Und um dieses Kapitel mit einem versöhnlichen Blick auf das süße Leben und eine genußvolle Weihnachtszeit abzuschließen, folgt zu guter Letzt noch ein Rezept für zuckerfreie, leckere und keto-freundliche Lebkuchen:

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Zucker- und mehlfreie Mandel-Lebkuchen:

Zutaten für ca. 42 Stück:

  • 400g gemahlene Mandeln (egal, ob blanchiert oder nicht, ich habe 200g blanchierte und 200g nicht banchierte genommen)

  • 1 EL Kakaopulver (ungesüßt)

  • 1 EL Lebkuchengewürz

  • 1 TL Backpulver

  • 110g Erythrit (oder Xylit) (Erythrit ist etwas weniger süß als Zucker, wer es also süßer haben möchte, müßte bei Erythrit etwa 20g mehr nehmen)

  • 5 Tropfen Stevia Extrakt (auf Glycerin-Basis) (man kann statt des Stevia auch 2 EL Erythrit oder Xylit mehr nehmen)

  • 4 Eier (Größe M)

  • 50g 85%ige Bitterschokolade

  • 1 TL Kokosöl oder 1/2 TL Olivenöl

Zubereitung:

  • Gemahlene Mandeln, Kakaopulver, Backpulver und Lebkuchengewürz in einer Rührschüssen gut vermischen.

  • Backofen auf 175°C Ober-Unterhitze (oder 150°C Umluft) vorheizen.

  • Backblech mit Backpapier auslegen.

  • Eier mit Erythrit und / oder Xylit und Stevia mit dem Rührgerät auf höchster Stufe cremig rühren (mindestens 5 Minuten, bis eine hellgelbe Creme entsteht).

  • Mandeln in die Creme hinein rühren, alles gut vermengen und auf dem Backblech zu einem Rechteck ausstreichen (ca. 27x33cm und 1-1,5cm dick).

  • Bei 175° Ober-Unterhitze oder 150° Umluft 15-20 Minuten backen.

  • Auf ein Gitter stürzen, das Backpapier abziehen und den Lebkuchen auskühlen lassen.

  • Nach dem Auskühlen in ca. 4x4cm große Quadrate schneiden.

  • Schokolade und Öl im Wasserbad schmelzen und die Oberseite der Lebkuchen damit bestreichen.

  • Komplett trocknen lassen, dann in Dosen packen und mindestens einen Tag ruhen lassen, die Lebkuchen sind dann saftiger und besser „durchgezogen“.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Nährwertangaben pro Stück (bei 42 Stück):

74,8 kcal (mit 110g Erythrit und Stevia)

81 kcal (mit Xylit und Stevia)

6,4g Fett

0,8g Kohlenhydrate

2,6g Eiweiß

1,2g Ballaststoffe

Stevia-Liquid, Konzentrat, ohne Alkohol, 50 ml

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