Magen, Darm und Darmflora

 

Magen, Darm und Darmflora

Bei allen Überlegungen, wie eine Ernährung bei Krebs oder eine Ernährung zur Prävention von Krebs gestaltet werden sollte, wird sehr häufig ein zentrales Thema außer acht gelassen: Die Frage, ob unser Körper überhaupt die Voraussetzungen hat, die ihm angebotenen Nährstoffe so zu verarbeiten und aufzunehmen, daß sie den gewünschten Nutzen bringen.

Dies ist längst nicht so selbstverständlich wie wir gern glauben möchten.

Die Natur hat uns mit einer äußerst effizient arbeitenden Maschine ausgestattet, die ohne weiteres Zutun unsererseits dafür sorgt, daß unsere Milliarden Körperzellen mit Energie, Baustoffen und Schmierstoffen versorgt werden, so daß alle Vorgänge, die das körperliche Leben ausmachen, reibungslos ablaufen.

Das einzige, was wir dabei tun müssen, ist, uns die erforderliche Nahrung und Flüssigkeit zuzuführen, sie gut zu kauen und hinunter zu schlucken.

Und dann brauchen wir nichts weiter zu tun, als der Dinge zu harren, die da kommen.

In diesem Fall der Stuhlgang, der irgendwann auf die Nahrungsaufnahme folgt.

Läuft alles so, wie der Bauplan es vorsieht, tritt dieses Ereignis ohne unser Zutun ein. Wir müssen lediglich dem natürlichen Drang folgen, und schon ist die Angelegenheit erledigt.

Soweit der geniale Bauplan der Natur.

Und genau hier werden sehr viele Menschen bereits mißmutig denken, daß sie durchaus gern vom Vierzehn-Tage-Rückgaberecht Gebrauch machen und die tolle Maschine mit dem tollen Bauplan gegen eine austauschen würden, die auch wirklich funktioniert.

Schätzungen zufolge leiden ca. 30 Prozent der Bevölkerung an „Verdauungsstörungen“ – womit das gesamte Spektrum an Störungen umfaßt wird, die den Verdauungsapparat betreffen: Verstopfung, Durchfall, Blähungen, Sodbrennen oder Magenschmerzen unklarer Herkunft.

Die Dunkelziffer jedoch ist aller Wahrscheinlichkeit nach sehr viel höher, denn viele Menschen schämen sich, aufgrund solcher Probleme einen Arzt aufzusuchen, und ein weiterer großer Teil der Menschen ist sich seiner Probleme gar nicht bewußt oder nimmt sie nicht als Problem wahr.

So mancher glaubt, es sei normal, nur einmal pro Woche Verdauung in Form von Granitbrocken zu haben, und so mancher kommt gar nicht auf die Idee, es könne auch ein Leben ohne überaktive Biogas-Anlage im Bauch geben.

Naja, sagen viele vielleicht, was soll’s. Ich habe jeden guten Tip durch, den man von Bewegung, viel Wasser trinken bis hin zu Leinsamen und Trockenpflaumen finden kann, und geholfen hat alles nix. Ist halt wohl so – ansonsten geht’s mir ja gut.

Aha. Da stellt sich die Frage, warum eine Natur, die etwas so Perfektes wie die Fraktale eines grünen Romanesco-Blumenkohls hervorbringt, ausgerechnet beim menschlichen Verdauungssystem versagen sollte.

Die kompliziertesten physikalischen Vorgänge im Universum, die kein Mensch außer Stephen Hawking durchblickt, funktionieren reibungslos, aber unsere Verdauung klemmt?

Doch nicht ernsthaft.

Wobei ich mit „klemmender Verdauung“ keineswegs ausschließlich Verstopfung meine. Und selbst wenn es sich „nur“ um eine solche handelt – das ist nicht, was von der Natur vorgesehen ist.

Man muß nicht permanent Nabelschau betreiben und aus jeder Mücke einen Elefanten machen, aber grundsätzlich wurde das Modell Homo sapiens sapiens so konstruiert, daß es reibungslos funktioniert. Ein perfektes Zusammenspiel mechanischer, physikalischer und chemischer Vorgänge, die dafür sorgen, daß wir in der Lage sind, zu leben, zu denken, zu fühlen, uns zu bewegen – und uns jede Menge Unsinn zu überlegen.

Und hier kommt unser Verdauungssystem ins Spiel.

Wenn wir artgemäß leben, bekommen wir allerhöchstens in dem Moment mit, daß wir ein solches System haben, wenn der Magen knurrt, wenn wir satt sind und wenn die Reste der verzehrten Nahrung uns ohne große Umstände wieder verlassen.

Da wir aber viel Kapazität haben, uns Unsinn zu überlegen, erschaffen wir uns sehr häufig Umstände, die uns von oben genanntem artgemäßem Leben und damit der idealen Verdauung weg führen.

Anders gesagt, wir verändern unsere Nahrung auf unnatürliche Weise, essen zu viel, zu wenig, das Falsche, zum falschen Zeitpunkt und auf die falsche Weise. Wir trinken zu wenig – oder zu viel, wenn es sich um etwas anderes als Wasser handelt – und bewegen uns nicht annähernd so viel wie unser Bewegungsapparat es bräuchte. Und das, was von diesem Bewegungsapparat durch die Gegend bewegt wird, ebenfalls: Unsere inneren Organe.

Da es sich bei unserem Verdauungsapparat um ein sehr komplexes, gut ausgeklügeltes System mit sehr vielen verschiedenen ineinander greifenden Komponenten handelt, ist es natürlich auch recht störungsanfällig.

Wir kennen das heute eher vom Auto: Je mehr komplexe Elektronik, desto störanfälliger ist das gesamte System. Wo der Käfer mit Blechstoßstange noch läuft und läuft, wenn der Unterboden bereits durchgerostet ist und die Türen mit Bindfaden befestigt werden müssen, bleibt der moderne Elektronikschlitten mit Schlüsselkarte gleich komplett liegen, wenn eine Scheinwerferbirne durchbrennt. (Okay, das ist vielleicht übertrieben, aber Sie wissen, was ich meine.)

Unser Körper ist ein System mit extrem hoher Toleranzgrenze. Bevor wir wirklich richtig merken, daß irgendetwas im Eimer ist, müssen schon ungefähr 75% tatsächlich im Eimer sein. Vorher tut unser Freund, der Körper, absolut alles, um zu kompensieren. Und die kleinen subtilen Schadensmeldungen vorher bekommen wir meistens nicht mit, weil wir gelernt haben, sie zu ignorieren und weil, evolutionär gesehen, wir dafür auch so recht keine Zeit haben: Der Steinzeitmensch war zu beschäftigt damit, Nahrung zu beschaffen und den Nachwuchs aufzuziehen, als daß er sich lange mit Zipperlein hätte aufhalten können.

Deswegen haben wir auch hervorragende Selbstregulierungsmechanismen.

Wird das System jedoch, wie heutzutage, unablässig durch irgendwelche Störfaktoren belästigt, kommen diese wunderbaren Selbstregulierungsmechanismen nicht mehr zum Zuge, und das System beginnt, langsam aber sicher dauerhafte Schäden davonzutragen.

Einer der fantastischsten Selbstregulierungsmechanismen befindet sich in unserem Darm, und damit sind wir nun endlich auf den Punkt gekommen.

Der Darm hat in unserem Körper nicht nur die Funktion, Nahrung zu verarbeiten und unverdauliche Reste abzutransportieren.

Ich zitiere hier noch einmal, was ich in einem anderen Post bereits über den Darm gesagt habe (Tips und Tricks für eine ketogene Ernährung: Faserstoffe und Verdauung)Er ist ca. 8 Meter lang und hat aufgrund seiner vielen Fältelungen, der sogenannten Darmzotten, eine Oberfläche von 400 bis 500 Quadratmetern.

Anders gesagt, wenn man ihn platt bügelt, findet ein komplettes Einfamilienhaus samt Terrasse und Vorgärtchen darauf Platz.

Das ist viel, und deswegen ist er auch eines unserer zentralen Organe (nicht nur wegen der zentralen Lage).

Er sorgt für die Verdauung, also dafür, daß unser Körper mit allem versorgt wird, was er zum Leben braucht, für die Regulierung des Wasserhaushaltes, für die Produktion von Hormonen und Botenstoffen, und er bildet den größten Teil der Abwehrzellen unseres Immunsystems.

Zudem wird er fast vollständig von einem Nervengeflecht durchzogen, dem sogenannten „enterischen Nervensystem“, das Teil unseres Gesamtnervensystems ist und fast vollständig autonom, also losgelöst vom übrigen Nervensystem, arbeiten kann, jedoch trotzdem den Einflüssen des Sympathikus und Parasympathikus unterliegt, um ein harmonisches Zusammenspiel des Gesamtorganismus zu gewährleisten.

Das sogenannte „Glückshormon“ Serotonin wird zu 97% im Darm gebildet, und von den 10mg Serotonin, die wir normalerweise im Körper haben, sorgt nur etwa 1 Prozent im Hirn für gute Stimmung, während der Rest im Darm für Bewegung sorgt.

Da eine enge Wechselwirkung zwischen Östrogen und Serotonin besteht, sinkt mit dem Östrogenspiegel auch der Serotoninspiegel, was vermutlich für schlechte Laune und Verstopfung oder andere zunächst unerklärlich scheinende Magen-Darmprobleme in der zweiten Zyklushälfte der Frau sowie in den Wechseljahren ursächlich ist.

Als ich das schrieb, hatte ich bereits diesen Post über die Gesundheit unseres Verdauungstraktes im Kopf – aus dem naheliegenden Grund, daß für unser gesamtes gesundheitliches Wohlbefinden eben sehr viel, wenn nicht gar alles, von einer guten Funktion desselben abhängt.

Doch wie der Titel sagt, beschränkt sich das Verdauungssystem nicht auf den Darm und dessen Funktion.

Bereits im Mund beginnt nicht nur die mechanische Zerkleinerung der Nahrung, sondern auch die enzymatische. Das im Speichel enthaltene Enzym Amylase spaltet Kohlenhydrate in kleinere Zuckermoleküle auf, weswegen Brot, wenn man es sehr lange und gründlich kaut, irgendwann deutlich süß schmeckt.

Neben dem Verdauungsenzym Amylase enthält Speichel Natrium, Kalzium, Kalium, Magnesium, Chlorid, Fluorid, Phosphat, Jod, Schleim (der aus schleimbildenden Polysacchariden, also Vielfachzuckern besteht), antibakterielle Komponenten wie Thiocyanat, Wasserstoffperoxid und sekretorisches Immunglobulin A, epidermale Wachstumsfaktoren, antimikrobiell wirkende Enzyme wie Lysozym, Lactoperoxidase und Lactoferrin, Opiorphin (ein körpereigenes schmerzstillendes Opioid) sowie das Protein Haptocorrin, das sich an Vitamin B12 bindet, um es vor der Zerstörung durch die Magensäure zu schützen, so daß es sich im Magen unbehelligt an den Intrinsic-Faktor binden kann, der es später vom Darm aus in den Organismus schleust.

Abgesehen von den genannten Substanzen finden sich auch ca. 8 Millionen menschliche Körperzellen und bis zu 500 Millionen bakterielle Zellen im Speichel. Jeder Mensch hat eine ganz eigene Mundflora, deren Zusammensetzung unter anderem durch seine Ernährung beeinflußt wird. Sie hilft bei Verdauung und Immunabwehr, kann sich jedoch auch gegen uns wenden: Bestimmte Bakterien verursachen in Kombination mit Zucker Karies, andere können Zahnfleischentzündungen auslösen.

Über die Mundschleimhaut werden auch schon die ersten Substanzen ins Blut transportiert. Dies ist für manche Medikamente sinnvoll, wenn der Umweg über Magen und Leber vermieden werden soll.

Am Mund sieht man bereits, wie das perfekte Zusammenspiel von Makro- und Mikrokosmos – also groben Zerkleinerungswerkzeugen wie den Zähnen und einer perfekt zusammengesetzten Belegschaft aus spezialisierten winzigen Arbeitern, nämlich der Mundflora – dafür verantwortlich ist, daß unsere große Maschine namens Körper läuft und läuft und läuft.

Das gleiche gilt für Magen und Darm.

Grob gesagt wird der zerkaute Nahrungsbrei im Magen durch die Peristaltik, also die Knetbewegungen des Magens, und eine ordentliche Portion Magensaft weiter zerlegt, um ihn für die weitere Verarbeitung im Dünndarm vorzubereiten.

Normalerweise werden von den Drüsen in der Magenschleimhaut etwa 10ml Magensaft pro Stunde produziert.

Kommt der Nahrungsbrei nun im Magen an, wird die Produktion auf bis zu 1000ml pro Stunde erhöht.

Der Magensaft ist eine schleimige Flüssigkeit, die Magensäure (ca. 0,5-prozentige Salzsäure), das eiweißspaltende Enzym Pepsin sowie den intrinsischen Faktor enthält, der für die Resorption von Vitamin B12 verantwortlich ist. Der ph-Wert der Magensäure beträgt im Nüchternzustand etwa 1-1,5 und bei vollem Magen etwa 2-4.

Die Bildung des Magensaftes wird durch Impulse des vegetativen Nervensystems vor der Nahrungsaufnahme (ausgelöst durch beispielsweise Gerüche oder optische Eindrücke), durch den Kontakt der Nahrung mit der Magenschleimhaut und durch Hormone gesteuert. Hormone sorgen auch dafür, daß die Produktion wieder eingestellt wird, wenn die Nahrung Richtung Dünndarm weitergeschoben wird.

Die Magensäure bricht die Strukturen von Eiweißen auf und tötet die mit der Nahrung aufgenommenen Viren und Bakterien ab. Anders als früher angenommen ist der berüchtigte, Magengeschwüre verursachende Helicobacter pylori nicht das einzige Bakterium, das im sauren Milieu des Magens überlebt; vielmehr hat man mittlerweile entdeckt, daß der Magen eine ganz eigene Flora aus mindestens 128 Bakterien besitzt, von denen zehn Prozent genetisch von allen bisher bekannten Bakterien abweichen.

Wenn die Magensäure die Eiweiße aufgebrochen hat, werden sie vom Pepsin in sogenannte Polypeptidketten zerlegt. Das heißt, das zerkaute Fleisch wird zuerst komplett zu Proteinbrei verarbeitet, und der Proteinbrei wird dann in Ketten aus mehreren (mindestens zehn) Aminosäuren zerlegt (Aminosäuren sind die kleinsten Bausteine, die dann vom Körper als Baumaterial für so ziemlich alles verwendet werden).

Fett wird lediglich durch die Peristaltik weich geknetet, ansonsten läuft es unbehelligt durch den Magen durch.

Auch Kohlenhydrate verlassen den Magen so, wie sie ihn betreten haben, da die im Mund durch den Speichel eingeleitete enzymatische Spaltung durch die Magensäure wieder gebremst wird. Es ist also durchaus sinnvoll, im Mund schon einmal so viel Zerkleinerungsarbeit zu leisten wie möglich, um es dem Dünndarm später einfacher zu machen.

Außerdem hat der Magen die großartige Fähigkeit, seine Bewegungen der Nahrungsmenge anzupassen, die ihm zugeführt wird: Die Menge, die in den Dünndarm verschoben wird, bleibt immer ungefähr gleich, egal, wie voll der Magen ist. Deswegen können wir mit wenigen großen statt vielen kleinen Mahlzeiten auskommen.

Wenn der Magen mit der Vorverdauung fertig ist und die verschiedenen Komponenten des Nahrungsbreis geschichtet hat, gibt er eine kleine Portion an den Zwölffingerdarm ab, das Duodenum.

Dieser erste Teil des Dünndarms heißt so, weil er etwa 12 Fingerbreiten lang ist, das sind 30cm.

Hier wird als erstes die Magensäure durch einen sogenannten Hydrogencarbonat-Puffer neutralisiert. Anders gesagt, die Säure wird mit einer schwachen Base vermischt, wodurch sie eben neutralisiert und somit ein ideales Milieu für die Enzyme des Pankreassaftes geschaffen wird.

Nun wird dem Nahrungsbrei Pankreassaft und Galle zugegeben.

Die Galle zersetzt Fette in kleine Tröpfchen, die von den fettspaltenden Enzymen (Lipasen) dann endgültig zerkleinert werden können.

Der Pankreassaft enthält alle Enzyme, die benötigt werden, um das, was von den Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen übrig geblieben ist, soweit zu zerlegen, daß die einzelnen Bestandteile ins Blut gelangen und dann im Körper ihren jeweiligen Bestimmungsorten und Verwendungszwecken zugeführt werden können.

Für die Zerkleinerung von Fett sind dies die eben genannten Lipasen, für Eiweiße sind es Trypsinogen, Chymotrypsinogen und Elastase, und für Kohlenhydrate Alpha-Amylase, Ribo– und Desoxyribonukleasen.

Ferner werden im Dünndarm Lactase, Sucrase und Maltase gebildet, drei weitere Enzyme zur Spaltung von Kohlenhydraten.

Sind die Kohlenhydrate in einzelne Zucker aufgespalten, werden sie von der Dünndarmschleimhaut aufgenommen und weitertransportiert.

Die vorverdauten Proteine werden in einzelne Aminosäuren zerlegt und mittels Transportern durch die Darmschleimhaut an ihren Bestimmungsort gebracht.

Die bisher nicht vorverdauten Fette gelangen in Form von Fetttröpfchen in den Dünndarm und werden dort durch Gallensaft emulgiert, das heißt in kleinere Tröpfchen zerlegt, die sie für die fettspaltenden Enzyme (Lipasen) angreifbarer machen. Durch die Lipasen wiederum werden die Fette in Bestandteile zerlegt, die in die Zellen der Dünndarmschleimhaut aufgenommen werden können, von wo sie weiter dahin transportiert werden, wo sie im Körper benötigt werden. An dieser Stelle, also in der Dünndarmschleimhaut, transportieren Fette auch die sogenannten fettlöslichen Vitamine A, E, D und K in den Körper, die nur im Verbund mit Fetten absorbiert werden können.

Nachdem im Dünndarm alles zerlegt und so viel wie möglich resorbiert wurde, wandern die Reste weiter in den Dickdarm.

Hier wird das dem Nahrungsbrei zuvor in Form von Verdauungssäften zugefügte Wasser zum größten Teil wieder entzogen (rückresorbiert), und zugleich wird Schleim beigemengt, um einen gleitfähigen Kot herzustellen. Mit der Flüssigkeit werden hier auch Elektrolyte (Mineralstoffe) resorbiert.

Ferner werden Nahrungsreste, die nicht im Dünndarm verarbeitet und dann aufgenommen wurden, mit Hilfe der Darmflora im Dickdarm weiter fermentiert und durch Fäulnis- und Gärungsprozesse abgebaut.

Sowohl im Dünn- als auch im Dickdarm haben wir eine sogenannte Flora, auch Mikrobiom genannt. Dies bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Darm besiedeln. Der Großteil dieser Flora befindet sich im Dickdarm, wo sich mehr als 10 Billionen (das sind 1 bis 1,5 Kilogramm!) verschiedenster Bakterien aufhalten, die ein perfektes kleines Ökosystem bilden. Dieses perfekt ausbalancierte Ökosystem erfüllt verschiedene wichtige Aufgaben.

Ging man früher von etwa 500 Arten aus, hat man mittels DNA-Analysen mittlerweile etwa 1000 verschiedene Spezies unterscheiden können.

Die Darmflora von Säuglingen besteht vorwiegend aus Bifidobakterien und entwickelt sich je nach Zufütterung im Laufe der Zeit, bis sie die Komplexität der Flora eines Erwachsenen erreicht. Dabei spielt die Art der zugeführten Nahrung eine wesentliche Rolle für die spätere Zusammensetzung, aber auch die genetische Beschaffenheit des Körpers: Bestimmte genetische Defekte scheinen die Bildung sogenannter Defensine zu bewirken, die die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen und Darmerkrankungen wie Morbus Crohn begünstigen.

Beim größten Teil der Bakterien handelt es sich um sogenannte Anaerobier, das heißt Bakterien, die ohne Sauerstoff auskommen. Dies sind etwa die oben genannten Bifidobakterien oder Laktobazillen, die wir auch aus Milchprodukten kennen. Sie produzieren Milchsäure und sorgen dafür, daß das Darmmilieu leicht sauer ist – eine Abwehr gegen schädliche Eindringlinge, die sich in saurem Milieu nicht ausbreiten können.

10% der Flora bestehen aus sogenannten Aerobiern, also Bakterien, die Sauerstoff benötigen. Sie haben beispielsweise die Aufgabe, unverdaute Nahrungsreste und Ballaststoffe wie Inulin aufzuschließen und daraus kurzkettige Fettsäuren zu bilden, die die Darmschleimhaut mit Energie versorgen sowie die Darmperistaltik anregen. Besonders wichtig scheint hier die Buttersäure zu sein; bei Darmkrebs etwa wurde eine verminderte Buttersäurekonzentration im Darm festgestellt.

Ferner spielt die Darmflora eine Rolle im Vitaminstoffwechsel.

Die Zusammensetzung der Darmflora scheint auch eine Rolle für das Körpergewicht zu spielen: Das Verhältnis der beiden Bakterienstämme Bacteroides und Firmicutes ist bei übergewichtigen Personen zugunsten des Stammes Firmicutes verschoben.

Eine zentrale Rolle spielt die Darmflora schließlich in der Immunmodulation.

Zum einen verhindert eine stabile, ausgewogene Darmflora, daß pathogene Keime eine Gelegenheit bekommen, sich auszubreiten: Der Wohnraum ist bereits besetzt, und das dabei geschaffene Milieu ist nicht wohnlich für schädliche Eindringlinge.

Zum anderen aber sind Signale von Darmbakterien notwendig für eine adäquate Immunantwort auf virale und bakterielle Erreger. Anders gesagt, ist die natürliche Darmflora gestört, kann die Immunabwehr nicht hinreichend auf Krankheitserreger reagieren: Das Immunsystem ist geschwächt und funktioniert nicht richtig.

Die Entstehung von Autoimmunerkrankungen sowie auch Arteriosklerose gehen nachweislich mit einer Verschiebung der Darmflora einher.

Ebenso besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Darmflora, allergischen Erscheinungen und chronischen Hauterkrankungen.

Normalerweise weisen Säuglinge keine Laktoseintoleranz auf, da sie den Milchzucker aus der Muttermilch als Energiequelle benötigen. Tatsächlich tritt jedoch manchmal eine Laktoseintoleranz auf, die mit dem sogenannten Milchschorf von Babies sowie Magen-Darm-Problemen einhergeht. Die ursächliche Lactaseinsuffizienz, also die Unfähigkeit, das Milchzucker spaltende Enzym Lactase zu bilden, scheint durch eine Störung der Darmflora hervorgerufen zu werden, nämlich durch eine Überbesiedelung des Dünndarms mit Escherichia-coli-Stämmen, die dort normalerweise eher nichts zu suchen haben.

Eine gestörte Darmflora hat meistens auch eine erhöhte Durchlässigkeit der schützenden Darmschleimhaut zur Folge.

Das bedeutet, daß Stoffe, die normalerweise abgefangen und nicht in den Körper transportiert werden, nun doch ins Blut gelangen und eine Immunreaktion auslösen können. Wurde vor einigen Jahren noch der Begriff „Leaky gut“ (leckender Darm) von der Schulmedizin als naturheilkundliches Fantasiegebilde belächelt und abgetan, gibt es inzwischen jedoch ernsthafte Forschung auf diesem Gebiet.

Normalerweise werden ca. 90% der Nahrungsmittel-Antigene von der Darmschleimhaut resorbiert und deren Zellen von Verdauungsenzymen so weit zerkleinert, daß sie keine Immunreaktion hervorrufen. Die übrigen Antigene werden von benachbarten sogenannten dendritischen Zellen gewissermaßen aufgefressen (phagozytiert).

Bei schwerer Verschiebung oder Beschädigung der Darmflora wird diese Barriere aus Schleimhautzellen und dendritischen Zellen durchlässiger, so daß unverdaute Nahrungsmittel-Allergene an den Immunzellen vorbei geschleust werden und eine Reaktion des Immunsystems auslösen.

Es ist also deutlich, daß dieses so perfekt ausgetüftelte System in seiner Komplexität ein recht großes Potential an Störanfälligkeiten hat. Wie genau es zu Störungen kommen kann, um welche Art von Störungen es sich handelt, welche gesundheitlichen Konsequenzen diese haben und welchen Einfluß man darauf nehmen kann, soll im nächsten Kapitel behandelt werden.

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2 Antworten zu Magen, Darm und Darmflora

  1. Kelo O. sagt:

    Einem Zöliaken zu raten mehr Vollkornprodukte für seine Darmgesundheit zu essen, dürfte ebensowenig wie der Ratschlag an einen Laktoseintoleranten mehr Joghurt zu verzehren zu einem guten Resultat für den Darm führen, eher zu einer fulminanten Verschlimmerung. Von 100 Zöliaken wissen ungefähr 3 von ihrer Erkrankung, bei der Laktoseintoleranz ist es wohl kaum besser. Auch der Ratschlag mehr Obst und Gemüse zu essen, ist für Menschen mit einer Fruktoseintoleranz der falsche Ratschlag. Also: es ist alles ausser einfach, Ratschläge zu geben, wenn man über die Symptome eines Menschen nichts weiss. Bei Darmsymptomen zum Arzt, und hoffen dass dieser fit ist.

    • Maria Metis sagt:

      Hallo,
      danke für Ihren Kommentar, da haben Sie natürlich vollkommen recht. Ihre Bemerkung hat zwar nun keinen direkten Bezug zu diesem Artikel, da hier ja keinerlei derart sinnlose Ratschläge erteilt werden, aber es ist ein guter Hinweis für Betroffene, die versuchen, mit diesen üblichen „guten Tips“ ihre Darmgesundheit zu verbessern. Wenn Sie einmal im Blog weiterlesen, werden Sie feststellen, daß wir grundsätzlich eher von einer Kohlenhydrat und damit Vollkorn betonten Ernährung abraten und immer wieder darauf hinweisen, daß jeder Organismus anders ist und seine eigenen individuellen Bedürfnisse hat. Und natürlich – wer Probleme hat, muß diesen Problemen auf den Grund gehen, auch darauf weisen wir immer wieder hin.

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