Superfoods

Superfoods

Auf der Suche nach ewiger Jugend, ewiger Gesundheit, Fitness und Schönheit und dem einen einfachen Mittel, um dies zu erreichen, stürzt sich die Menschheit seit Anbeginn (zumindest seit Anbeginn schriftlicher Aufzeichnungen) mit Begeisterung auf jede Neuentdeckung, die dies zu gewähren verspricht.

Der augenblickliche Trend auf diesem Gebiet heißt Superfoods.

Die Interpretation des Namens ist nicht schwierig – der Name ist hier sozusagen Programm.

„Superfood“ ist keine wissenschaftliche Bezeichnung, sondern zunächst einmal ein Marketingbegriff für „Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel haben“ (Europäisches Informationszentrum für Lebensmittel).

Die Wissenschaft steht dem Begriff kritisch gegenüber und weist meistens darauf hin, daß ein Großteil der angeblich gesundheitlich besonders nützlichen Wirkungen nur entweder im Labor an Tieren oder Zellkulturen oder in unrealistischen Mengen bewiesen wurde.

Ah ja?

Es erstaunt mich immer wieder, wie mit schöner Regelmäßigkeit die Hälfte der existierenden Studien einfach unter den Tisch fallen gelassen oder aber falsch interpretiert wird. Im Guten wie im Schlechten. Je nach dem, was gerade wem genehm ist. Und es erstaunt mich mindestens ebenso sehr, daß bequemerweise genau dann, wenn es um den Wert natürlicher Nahrungsmittel geht, plötzlich keiner mehr von den durch falsche Ernährung überproportional ansteigenden Kosten für die Krankenkassen spricht.

Was ich vor allem immer wieder bemerkenswert finde ist, daß kaum Stimmen laut werden gegen falsche beziehungsweise trügerische Werbeversprechen bezüglich irgendwelcher Industrieprodukte oder Medikamente.

Alles, was man zu sich nimmt, hat mehrere Wirkungen, also sowohl die gewünschte oder erwartete Hauptwirkung als auch irgendwelche Nebenwirkungen.

Nur sind die Nebenwirkungen bei eßbaren Naturprodukten in der Regel weit weniger schädlich als bei Medikamenten oder Industriemüll, der als Nahrung verkauft wird.

Verbietet irgendjemand, daß Gummifrüchte mit Vitaminzusatz als gesunde Nascherei für Kinder verkauft werden? Gummifrüchte, die laut Inhaltsangabe an erster Stelle aus Glucosesirup (also Zucker) bestehen, dann aus Zucker, dann aus Gelatine und Säuerungsmittel, konzentrierten Fruchtsäften (die 5% Fruchtsaft entsprechen würden, wobei hierdurch ebenfalls vor allem Zucker und noch mehr Säure in das Produkt geschleust werden), Aroma, färbenden Pflanzenauszügen, zugesetzten Vitaminen, pflanzlichem Öl und Wachs als Trennmittel.

53 Gramm reiner Zucker auf hundert Gramm Fruchtgummis. Treibt den Blutzuckerspiegel hoch und greift die Zähne an, kräftig unterstützt von den Säuren.

Dafür darf Reklame gemacht werden, die den Müttern suggeriert, ihre Kinder zu gesunden Individuen heranzuziehen und sich gut fühlen zu dürfen, wenn sie ihnen diese Nascherei zugestehen. Superfood 2.0, oder was?

Das funktioniert, weil es den Nerv jeder Mutter trifft, wie die Werbung plastisch vor Augen führt: Kinder sind ausdauernde Nervensägen, wenn sie Süßigkeiten haben wollen (die Erinnerung an solche Momente aus der eigenen Kindheit haben die meisten Erwachsenen aus ihrem Langzeitgedächtnis verdrängt), und jede Mutter ist dem Himmel dankbar, wenn sie das Gequengel und Gedrängel abstellen kann, indem sie ihren Kindern etwas gibt, das die Gelüste der Kinder und ihr eigenes schlechtes Gewissen befriedigt.

Man fragt sich, wie die Menschheit es geschafft hat, bis zum heutigen Tag zu überleben, wenn Mütter nur mit Hilfe von Fruchtgummis in der Lage sind, ihre Kinder zu bändigen.

Keine Behörde erhebt Einwände angesichts dieser Irreführung genervter Mütter, die letztendlich zu Körperverletzung an Kindern führt -nämlich vorprogrammierte Stoffwechselstörungen und vorprogrammierte schlechte Zähne.

Würde aber nun jemand einen Werbespot ausstrahlen, in dem das antioxidative Potential von Blaubeeren beworben wird, hätte man sofort sämtliche zuständigen Behörden am Hals, die einen wegen verbotener Gesundheitsaussagen zu Lebensmitteln belangen.

Vulgärlateinisch ausgedrückt kann man da nur fragen: Geht’s noch?!??

Zusammengefaßt: Man darf suggerieren, daß Fruchtgummis, gezuckerte und aromatisierte Frischkäsepampe, industriell hergestellter Pudding oder überzuckerte, fettige Kuchenschnitten gesund seien. Man darf nicht mit der Aussage werben, Heidelbeeren seien ein Superfood, das ganz ausgezeichnet für die Gesundheit ist.

Deswegen gibt es Profi-Fußballer, die überzuckerte, fettige Kuchenschnitten für ein gesundes Frühstück gehalten haben, bevor sie ein Ernährungs-Coaching bekamen.

Gut, daß wir darüber gesprochen haben.

Natürlich wird der Begriff Superfood als Werbeaussage benutzt. Allerdings gibt es in der Regel auch wissenschaftliche Beweise, die eine solch kernige Bezeichnung untermauern.

Ganz im Gegensatz zur industriellen Frischkäsepampe übrigens, deren Sinnhaftigkeit durch keine Studie bewiesen wird, weil sie durch keine Studie bewiesen werden kann. Weder im Reagenzglas, noch im Tierversuch, noch im lebenden Menschen.

Gerechterweise muß man zugeben, daß es selbstverständlich tatsächlich auch Naturprodukte gibt, deren Wirksamkeit nur im Reagenzglas oder Tierversuch bewiesen wurde.

Sehr oft wird im Eifer des Gefechtes vergessen, daß Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, dem Verdauungsprozeß unterworfen sind.

Anders gesagt, sie werden im Magen und Dünndarm aufgespalten und wandern dann ins Blut und werden möglicherweise in der Leber umgebaut oder einfach von den Nieren wieder herausgefiltert oder oder oder …

Das gilt nicht nur für Frischkäsepampe, sondern auch für echte Superfoods, und das alles muß man in Betracht ziehen, und deswegen reicht es auch nicht, Substanzen, die man sich durch den Mund einzuverleiben gedenkt, nur an Zellkulturen im Reagenzglas zu erforschen.

Die gute Nachricht ist, wie gesagt, daß es zu beinahe allen derzeit populären Superfoods eben doch auch Studien gibt, die zumindest den Schluß nahelegen, daß ihr Verzehr einen deutlichen gesundheitlichen Nutzen bringt.

Die zweite gute Nachricht ist, daß zum Verzehr geeignete Naturprodukte in der Regel immer einen gesundheitlichen Vorteil bieten, selbst wenn man sich bezüglich der speziellen Superkräfte geirrt haben sollte.

Abgesehen von der Passage des Verdauungstraktes gibt es noch andere Punkte, die man in Betracht ziehen muß, wenn man die Wirksamkeit eines bestimmten Lebensmittels ermitteln möchte: Die Zubereitung.

Hierzu eine Begebenheit, die wie eine Anekdote klingt, jedoch offenbar den Tatsachen entspricht: Forscher aus Großbritannien entdeckten, daß eine Augensalbe aus einer medizinischen Handschrift des 10. Jahrhunderts das gefürchtete multiresistente Bakterium Staphylococcus aureus (MRSA) in der Petrischale abtötete. Die Salbe wurde aus Zwiebeln, Knoblauch, Wein und Ochsengalle zusammengemischt. Aber: Die Mischung war nur dann wirksam, wenn sie alle Zutaten enthielt und man sie tatsächlich wie im Rezept beschrieben in einem Messingkessel ziehen ließ.

Was lernen wir daraus?

Auch wenn nicht sicher ist, ob die Mixtur im menschlichen Körper ebenso wirkt wie in der Petrischale, kommt es doch auf die exakte Zusammensetzung und Zubereitung an.

Will man also wirklich einigermaßen aussagekräftige Ergebnisse zur Wirksamkeit eines Lebensmittels erzielen, muß man Personen beobachten, die unter relativ ähnlichen Bedingungen das Lebensmittel in etwa der gleichen Menge und Zubereitung zu sich nehmen. Bei Kakao beispielsweise ist das sehr schwer, weil es so viele verschiedene Zubereitungen von Schokolade gibt.

Dennoch unternimmt man immer wieder Studien, bei denen man versucht, ein wiederholbares Ergebnis zu erzielen, etwa beim Kakao, wo einfach unter gewissen Bedingungen von einer bestimmten Personengruppe über einen definierten Zeitraum hinweg eine definierte Menge exakt gleich zubereiteter Kakao eingenommen wird.

Wenn wir also nun davon ausgehen, daß es Superfoods gibt, also die Supermänner und -frauen unter den Lebensmitteln, stellt sich die Frage, welche davon tatsächlich relevant sind.

Im Zeitalter des Internets ist es einfach geworden, die exotischsten Zutaten zu finden, und so hat man auch Zugriff auf so ziemlich alle derzeit besonders im Rampenlicht stehenden Superfoods.

Doch bevor ich auf die Exoten eingehe, möchte ich zunächst einmal die Superfoods erwähnen, die nicht aus Übersee importiert zu werden brauchen, auf die wir einfachen Zugriff haben und deren Superkräfte, wenn es sich um nicht überzüchtete Bio-Produkte handelt, vielfach in Vergessenheit geraten sind.

Beginnen wir mit dem absolut einfachsten, bei dem vielen überhaupt nicht klar ist, daß es sich hier tatsächlich um ein Superfood handelt:

Kohl.

Wir reden jetzt nicht von hanseatischem Kohl und Pinkel oder westfälischem Grünkohldurcheinander oder Kölschem Pitter und Jopp. Kein verkochter Kohl mit gestampften Kartoffeln und fettigen geräucherten Würstchen.

Nicht das Zeug, das man im Supermarkt in einem Plastikschlauch als fertige Matsche kaufen kann.

Sondern die krüseligen dunkelgrünen Blätter, die man roh als Salat oder in Smoothies, im Ofen gebacken oder im Dehydrator getrocknet als neuerdings in Amerika populäre „Kale Chips“ (Grünkohl-Chips) oder gedünstet als schnelle Gemüsepfanne oder leckere Gemüsebeilage in unzähligen Varianten genießen kann. Oder die kleinen Röschen des Rosenkohls. Oder Brokkoli – der immerhin ist ja mittlerweile recht allgemein bekannt als wirkungsvolles Anti-Krebs-Gemüse.

Kohl an und für sich, in allen seinen Varianten, gilt als eines der potentesten Lebensmittel zur Prävention von Krebs. Wissenschaftlich erwiesen, und es traut sich auch keiner mehr, dem zu widersprechen. Trotzdem darf die Marktfrau das nicht auf ihr Schild schreiben, sondern muß darauf hoffen, daß die Kundschaft schon einmal von dieser sensationellen Erkenntnis gehört hat.

Kohl – und zwar jeder Kohl vom Weißkohl bis hin zum Blumenkohl, Brokkoli oder Rosenkohl – stammt von der Urform Brassica oleracea ab, die bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts noch in manchen Gegenden Europas angebaut und verzehrt wurde.

Ur-Kohl ist eine 40-120 cm hoch wachsende Pflanze mit abstehenden, manchmal blau bereiften Blättern und schwefelgelben Blüten.

Schwefelgelb, in der Tat: Der penetrante Kohlgeruch, den viele irgendwie mit Nachkriegszeit und Armeleute-Essen assoziieren, rührt von den sogenannten Glucosinolaten her, die den Kohl so wirksam gegen Krebs machen. Glucosinolate sind Schwefelverbindungen, die in den Kohlblättern als inaktive Form vorliegen und erst aktiviert werden, wenn man sie kaut, also mechanisch aufbricht. Dann nämlich werden die getrennt voneinander in der Pflanze vorliegenden Glucosinolate und die Enzyme, die zur Aktivierung dieser Glucosinolate notwendig sind, vermischt, und die wirksamen antikanzerogenen Stoffe entstehen, insbesondere das Indol-3-Carbinol.

Man muß also Kohl, egal welche Art und in welcher Form, kräftig kauen, um von seinen antikanzerogenen Eigenschaften zu profitieren.

Außerdem darf man Kohl nicht zu lange und nicht zu hoch erhitzen: Die für die Aktivierung der Schwefelverbindungen notwendigen Enzyme sind, wie alle Enzyme, sehr hitzeempfindlich. Es empfiehlt sich also, Kohl entweder roh, oder kurz gedünstet oder im Wok rasch angebraten zu genießen. Nicht als stundenlang eingekochtes Eintopfgericht.

Will man Grünkohl-Chips genießen, in denen die krebspräventiven Stoffe noch erhalten sind, sollte man die Blätter im Dehydrator schonend trocknen, nicht im Ofen bei hoher Temperatur backen.

Tiefgekühltes Gemüse übrigens wird vor dem Tiefkühlen bei hohen Temperaturen blanchiert, daher ist im Falle von Kohl das frische Gemüse vorzuziehen, wenn es wirklich krebspräventiv hochwirksam sein soll.

Ganz besonders reich an antikanzerogenen Stoffen sind Brokkoli-Sprossen. Sie sind einfach in einem Keimglas in der Küche zu ziehen und können wunderbar über jeden Salat oder jedes sonstige Essen gestreut werden (nur kochen sollte man sie natürlich nicht!).

Ein weiteres einheimisches Superfood sind Beeren wie Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren, die besonders reich an antioxidativ wirkenden Anthocyanidinen sowie speziell reich an Ellagsäure sind. Ellagsäure ist ein Polyphenol, das wohl die stärkste krebshemmende Wirkung von allen in Beeren enthaltenen phytochemischen Wirkstoffen hat. In Himbeeren ist die Ellagsäure vor allem in den Kernen enthalten, in Erdbeeren im Fruchtfleisch.

Blaubeeren enthalten ebenfalls in großer Menge Anthocyanidine, von denen man annimmt, daß sie eine angiogenesehemmende Wirkung haben. Also daß sie Tumoren daran hindern, Blutgefäße zu bilden, wodurch das Tumorwachstum verlangsamt oder sogar gestoppt würde.

Knoblauch und Zwiebeln enthalten ebenfalls Schwefelverbindungen, die, ähnlich wie beim Kohl, ihr antikanzerogenes Potential entfalten, wenn sie mit den entsprechenden Enzymen zusammenkommen: Die inaktive Form Alliin kommt, wenn Knoblauch zerdrückt wird, mit dem Enzym Alliinase zusammen und bildet dann das antikanzerogene Allicin. Da auch hier wieder ein hitzeempfindliches Enzym im Spiel ist, haben Knoblauch und Zwiebeln ebenfalls vor allem in rohem Zustand krebshemmende Wirkung. Insbesondere auf Magenkrebs scheinen Vertreter der Knoblauchfamilie eine günstige Wirkung zu haben, aber auch auf Speiseröhren- und Dickdarmkrebs.

Vorbeugend wirkt der Verzehr von mehr als 10 Gramm Gemüse aus der Knoblauchfamilie offenbar gegen Prostatakrebs.

Fortsetzung folgt mit Superfoods – Teil 2

Dieser Beitrag wurde unter Ernährungs-Tipps abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar