Übergewicht und Krebs

Übergewicht und Krebs

Denkt man an Krebs, denkt man unweigerlich zuerst an haarlose, ausgezehrte Gestalten, die jedes Problem auf der Welt haben außer Übergewicht.

Der Fachbegriff dafür lautet Tumorkachexie.

Wie genau diese zustande kommt, ist bis jetzt gar nicht einmal hundertprozentig erforscht und verstanden. Sicher ist, daß es sich um eine Stoffwechselstörung als Folge einer Krebserkrankung handelt, die vor allem bei bösartigen Tumoren des Verdauungstraktes auftritt und zu Abmagerung bis hin zur Auszehrung des Kranken führt. Je ausgeprägter die Auszehrung ist, desto schlechter die Überlebenschancen des Betroffenen.

Wie kommt man dann dazu, genau das Gegenteil mit Krebs in Zusammenhang zu setzen?

Ganz einfach: weil Übergewicht zu den Haupt-Risikofaktoren für die Entwicklung einer Krebserkrankung gehört.

Egal, ob man nach alten Ideal- oder Normalgewicht-Berechnungen, nach Body-Mass-Index oder nach Augenmaß geht, fast jeder, der in irgendeiner Weise zwei bis hundert Pfund zu viel mit sich herumträgt, ist damit nicht zufrieden.

Nicht jeder gibt es zu, nicht jeder will es wahrhaben, doch auch wenn einem der ästhetische Aspekt wirklich schnuppe ist, schlummert doch im Unterbewußtsein das unbequeme Wissen, daß jedes überflüssige Pfund dauerhaft die Lebensqualität und die Gesundheit gefährdet.

Über lange Zeit hielt sich hartnäckig die Vorstellung vom „gesunden Übergewichtigen“: Studien hatten ergeben, daß es auch Übergewichtige gibt, die sich perfekter Gesundheit erfreuen, die also nicht an metabolischem Syndrom leiden, an erhöhten Blutfetten, hohem Blutdruck und drohender Insulin-Resistenz.

Inzwischen jedoch ist etwas Zeit ins Land gegangen, und man hat diese gesunden Übergewichtigen einmal über einen längeren Zeitraum beobachtet.

Natürlich ist man, wenn man als grundsätzlich gesunder Mensch in ein übergewichtiges Leben startet, zunächst einmal gesund. Und da unser Körper ein Anpassungs- und Kompensations-Wunder ist, bleibt dieser scheinbar gesunde Zustand auch zunächst einmal eine Weile bestehen.

Ich sage scheinbar, weil Fehler im System sich meistens nicht schon um Elf oder halb Zwölf bemerkbar machen, sondern erst um fünf vor Zwölf. „Blutwerte im Normbereich“ bedeuten vor allem, daß der Körper noch in der Lage ist zu kompensieren. Und „Normbereich“ ist nicht der Bereich, in dem sich die Werte von Leuten befinden, die wirklich super-gesund, sportlich und fit sind, sondern es ist der Durchschnitt der Befunde, die man in der Bevölkerung so findet. Anders gesagt, das Maß, an dem unsere Gesundheit gemessen wird, ist nicht die wirklich perfekte Gesundheit, sondern der Zustand, in dem sich der Durchschnitt der Bevölkerung befindet. Die Leute, die in der Erkältungszeit das Wartezimmer der Arztpraxis zum Bersten bringen und die dauermüde im Büro sitzen, die Verdauungsbeschwerden haben und Gelenkprobleme, obwohl sie laut Schulmedizin gesund sind.

Nicht die Werte der Leute, die höchstens einmal im Jahr einen kleinen Schnupfen bekommen und damit nach zwei Tagen wieder fertig sind. Die morgens frisch aus dem Bett springen, den Tag joggend beginnen und dann strahlend und mit federndem Gang ins Büro kommen.

Kennen Sie nicht, solche Leute?

Klar. Uns wird ja auch nicht gesagt, daß *das* der Normalzustand wäre.

Die Parameter, die gemessen werden, sind häufig nicht wirklich aussagekräftig, was unseren tatsächlichen Gesundheitszustand betrifft.

Nehmen Sie den Blutzucker, einer der Parameter, die gemessen werden, um festzustellen, ob Diabetes am Horizont droht.

Um drohende Typ-2-Diabetes rechtzeitig festzustellen, müßte man nicht den Blutzucker messen, sondern den Insulinspiegel. Der ist nämlich lange vor dem Blutzucker erhöht.

Warum?

Die Ernährung, die vor allem zu Übergewicht führt, ist eine stark kohlenhydratlastige und zuckerreiche Ernährung.

Also unsere normale Ernährung mit viel Brot und sonstigen Backwaren, Kartoffeln, Nudeln, Reis, gesüßten Getränken, Marmelade, Schokolade, Gummibärchen …

Diese Art der Ernährung sorgt dafür, daß unser Insulinspiegel dauerhaft in die Höhe getrieben wird. Jeden Tag gleich mehrmals.

Die Bauchspeicheldrüse produziert wie wild Insulin, um die ständige Kohlenhydratflut zu bewältigen und den Blutzuckerspiegel einigermaßen konstant und niedrig zu halten.

Wenn man also nachmißt, ist der Blutzucker okay.

Würde man allerdings den Insulinspiegel messen, würde man feststellen, daß der ständig sehr hoch ist, was ein Alarmsignal ist: Insulin schaufelt den Zucker aus dem Blut in die Zellen. Aber irgendwann reicht es den Zellen, weil ständig viel zu viel von dem Zeug kommt, und sie machen dicht. Lassen das Insulin mit dem Zucker einfach nicht mehr herein.

Das nennt man dann Insulinresistenz.

Die könnte man verhindern, würde man vorher einmal nachschauen, welche Unmengen von Insulin im Blut herumschwimmen und die Zellen belästigen, bis diese die Nase voll haben.

Macht man aber nicht. Erst, wenn die Zellen bereits resistent gegen Insulin sind und *auch* der Blutzuckerspiegel dauerhaft hoch ist, wird dies bemerkt und als krankhaft eingestuft.

Würde man bei einem Übergewichtigen regelmäßig die Insulinmenge messen, sähe die Welt ganz anders aus.

So jedoch gilt man auch mit 10 bis 20 Kilo zu viel als gesund, bis nach fünf bis zwanzig Jahren endlich das Unglück geschehen ist: Insulinresistenz, nicht-alkoholische Fettleber, erhöhte Blutfette.

Und, wenn es ganz dumm läuft, Krebs.

Ich will natürlich kein Horror-Szenario malen und Panik schüren. Natürlich kenne ich auch einen Nachbarn, der immer schlank war, nie eine Zigarette geraucht hat und mit Mitte vierzig Knall auf Fall an Lungenkrebs gestorben ist.

Und natürlich kenne ich auch Leute, die mit Übergewicht recht alt geworden sind, ohne an Krebs zu erkranken.

Wir alle kennen schließlich ja auch Helmut Schmidt, das kettenrauchende Mysterium.

Doch das alles ist nicht die Regel.

Wie immer wieder betont, gibt es viele Ursachen und Auslöser für Krebs, und Übergewicht gehört nun einmal zu den größten Risikofaktoren. Und da es ein Risikofaktor ist, den wir beeinflussen können, ist die gute Nachricht, daß man sein grundsätzliches Krebsrisiko deutlich senken kann, wenn man normalgewichtig mit einem nicht zu hohen Körperfett-Anteil ist.

Letzteres ist wichtig: Der Körperfett-Anteil.

Und damit kommen wir auch zur Beantwortung der Frage, warum Übergewicht eigentlich das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöht.

Daß es das Risiko für Diabetes, Schlaganfall und koronare Herzkrankheiten erhöht, leuchtet ja noch ein. Aber wo ist der Zusammenhang zu Krebs?

Zunächst eines vorweg – natürlich gibt es noch immer Teile der Welt, wo immer wieder Hungersnöte herrschen, wo regelmäßig Kinder an Unterernährung sterben. Aber tatsächlich leben auf der Welt mittlerweile 30 Prozent mehr übergewichtige als unterernährte Menschen.

Auch wenn immer wieder Panik geschürt wird wegen tödlicher Infektionskrankheiten wie Ebola, SARS oder MERS, muß man sagen, daß inzwischen zum ersten Mal seit uns historisch bekannt ist mehr Menschen an den Folgen von Übergewicht sterben als infolge von Infektionskrankheiten, die Jahrtausende lang die häufigste Todesursache darstellten.

Ich weiß, daß die meisten Zeitgenossen der reichen Industrienationen mit dem Spruch groß geworden sind, sie sollten den Teller leer essen und an die Kinder in Afrika denken, die nichts zu essen haben.

In vielen Fällen ist die Folge davon, daß man daran gewöhnt wurde, gegen das natürliche Körperempfinden an zu essen und das normale Sättigungsempfinden abzuschalten. Man darf ja nichts verkommen lassen.

Fakt ist, daß die Kinder in Afrika nicht davon mehr zu essen haben, daß wir uns überessen. Ob wir das, was eigentlich zu viel für uns ist, wegwerfen oder überflüssigerweise in uns hineinstopfen, ist für die Menschen irgendwo anders auf der Welt völlig egal.

Für uns hingegen macht es einen sehr großen Unterschied: Die angefutterte Notreserve, die uns in früheren Zeiten vielleicht über knappe Winter gerettet hätte, wächst mangels zehrender Notzeiten stetig weiter und entwickelt sich zur tickenden Zeitbombe.

35 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen von durch Übergewicht verursachte Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs.

Betrachtet man die Erkrankungs- und Sterberaten, stellt man fest, daß Adipöse (Fettsüchtige) und Diabetiker nicht nur ein höheres Risiko haben, an Krebs zu erkranken, sondern daß sie auch schneller daran sterben.

Allerdings kann man sich nicht allein nach dem BMI, dem Body Mass Index, richten, denn dieser erfaßt lediglich das Gesamtgewicht, nicht aber das Verhältnis Muskelmasse zu Körperfett.

Schlanke, sportlich inaktive Menschen haben in der Regel natürlich kein Übergewicht, sie wiegen ja nicht zu viel – aber sie haben deutlich weniger Muskelgewebe und dafür einen höheren Körperfett-Anteil. Man sieht ihn nur nicht so deutlich, da er sich im Bauchraum als sogenanntes viszerales Fettgewebe versteckt. Dieses ist jedoch sogar noch gefährlicher als die Polster auf den Hüften, weil es in besonderem Maße krebsfördernde Botenstoffe produziert und in den Körper aussendet.

Studien haben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Übergewicht und der Häufigkeit von Gebärmutterkrebs, Speiseröhrenkrebs, Leukämie, Nierenkrebs, multiplem Myelom, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom, Eierstockkrebs, Brustkrebs sowie Darmkrebs in der Menopause gezeigt.

Fettgewebe ist nicht nur ein Speicher, in dem überschüssige Nahrungsenergie gelagert wird, sondern es ist auch eine Art große Drüse.

Einer der Gründe, warum beispielsweise sehr athletische Frauen mit einem extrem geringen Körperfett-Anteil oft hormonelle Probleme haben, findet sich genau hier: Fettgewebe ist an der Hormonproduktion mit beteiligt. Zu viel Fettgewebe kann beispielsweise für einen dauerhaften Östrogen-Überschuß sorgen, was das Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs erhöht. Zu wenig Körperfett kann eine mangelhafte Östrogenproduktion zur Folge haben, die zu Unfruchtbarkeit oder früher Menopause führen kann.

Die Dosis macht also das Gift.

Allerdings ist die Gefahr eines extrem erniedrigten Körperfett-Anteils hierzulande sehr gering.

Anfällig für einen Überschuß an gefährlichem viszeralen Fett sind Frauen, die über viele Jahre hinweg in der Diätfalle sitzen. Die die Finger nicht aus der Keksdose oder von der Schokoladentafel lassen können und zum Ausgleich dann eine ausgewogene Mahlzeit weglassen.

Viele Frauen glauben, „Ernährungssünden“ ausgleichen zu können, wenn sie neben den unvermeidbaren und unverzichtbaren Süßigkeiten viel Salat und Obst essen und sonst eben nichts

Ein fataler Irrtum, der meistens zu einem deutlichen Eiweißdefizit führt und – gerade bei Frauen – die Muskeln schrumpfen läßt. Und mit den Muskeln auch das Immunsystem (von den Knochen gar nicht zu reden – Osteoporose kommt vor allem durch Muskelmangel zustande, nicht durch Calcium- oder Östrogenmangel).

Die Waage zeigt zwar weiterhin das gewünschte niedrige Gewicht, und auch die Hosen kneifen nicht, doch die Zusammensetzung der Körpermasse ist nicht so, wie es für dauerhafte Gesundheit erforderlich wäre.

Statt sich in Rettungsringen zu zeigen, sammelt sich da, wo die Muskelmasse schwindet, das unsichtbare Fett an, das den Körper mit krebsfördernden Botenstoffen wie Leptin, TNF-alpha, Interleukin-6 und Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1 flutet und dabei gleichzeitig die Produktion des krebshemmenden Botenstoffes Adiponectin drosselt.

Zugleich kann sich auch hier allmählich eine Insulinresistenz einschleichen: Die Bauchspeicheldrüse produziert immer mehr Insulin, weil ja die Zuckerflut ungebremst weiter den Körper überschwemmt, und sowohl das Risiko für Typ-2-Diabetes als auch für Krebs steigt gleichzeitig mit dem Insulinspiegel. Erhöhter Insulinspiegel stimuliert die Produktion der Wachstumsfaktoren IGF-1 und IGF-2, die ebenfalls im Verdacht stehen, die Entstehung von Krebs zu fördern.

Interessanterweise existiert ein Unterschied zwischen Interleukin-6, das von Fettgewebe produziert wird, und Interleukin-6, das von Muskelgewebe produziert wird. Während das Interleukin-6 aus dem Fettgewebe Entzündungsreaktionen fördert, hemmt das aus dem Muskel ganz im Gegenteil sogar Entzündungsreaktionen. Dies könnte eine der Erklärungen dafür sein, daß ausgeprägte Muskelaktivität die negativen Auswirkungen von Übergewicht zumindest teilweise ausgleichen kann: Wer trotz Übergewicht regelmäßig Sport treibt und viel aktive Muskelmasse aufweist, reduziert sein Krankheitsrisiko.

Der Optimalfall wäre also Reduktion der Fettmasse bei gleichzeitiger Erhöhung und Aktivierung der Muskelmasse.

Noch einmal im Überblick, welche Faktoren es sind, die Übergewicht zum Nährboden für Krebs machen:

  • Fettgewebe verhält sich wie eine Drüse, die den Hormonhaushalt stört.

  • Im Fettgewebe werden Botenstoffe gebildet, die Entzündungsreaktionen fördern, was durch mit Übergewicht einhergehende mangelnde Muskelmasse und -aktivität noch verstärkt wird.

  • Fettgewebe führt zu vermehrter Insulinausschüttung, was einerseits ebenfalls Entzündungsreaktionen fördert, andererseits zu Insulinresistenz und Diabetes-Typ-2 führt, was das Krebsrisiko noch weiter erhöht.

  • Fettgewebe führt zu überfüllten Glucosespeichern, die ein Schlaraffenland für Krebszellen bieten.

  • Fettdepots sind Giftspeicher: Giftstoffe wie Schwermetalle, Umweltgifte, Gifte aus Medikamenten usw. lagern sich im Fettgewebe an.

Will man also aktiv das größte Krebsrisiko beseitigen beziehungsweise aktiv gegen schon bestehenden Krebs vorgehen, sind also die wichtigsten Schritte:

  • Reduktion des Körperfett-Anteils durch Ernährungsumstellung (am besten durch eine kohlenhydratarme oder -freie Ernährung (ketogene Diät), oder auch mit Hilfe einer Stoffwechselkur), die zugleich auch den Körper „entzuckert“ und Krebs keine Chance läßt, zu wachsen (siehe auch das Kapitel „Schritt für Schritt aus der Zuckerfalle„)

  • Erhöhung der aktiven Muskelmasse durch regelmäßige sportliche Betätigung

  • Entgiftung der durch die Fettabnahme frei werdenden Giftstoffe

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