Getreide in der Krebs-präventiven Ernährung Teil 1

Getreide in der Krebs-präventiven Ernährung

Teil 1: Allgemeines über Vor- und Nachteile von Getreide

Wenn man sich zwischen no-carb und low-carb für letzteres zur Krebsprävention entschieden hat, stellt sich, abgesehen von der Frage, um wie viele Kohlenhydrate es sich bei low-carb nun eigentlich handelt, die mittlerweile auch schon wieder heiß umkämpfte Frage: Getreide oder kein Getreide?

Dies scheint sich zu einer Frage ähnlicher Tragweite wie „sein oder nicht sein“ entwickelt zu haben, und fast beneidet man Hamlet, der sich damals wenigstens nicht entscheiden mußte, ob er nun Getreide essen sollte oder nicht: Zu seiner Zeit war man häufig froh, wenn man überhaupt etwas zu essen hatte.

Ein Problem, von dem der Großteil unserer Gesellschaft doch recht weit entfernt ist.

Aus naheliegenden Gründen fällt den meisten Menschen die Vorstellung schwer, ohne Getreideprodukte auszukommen. Immerhin haben wir meistens unser ganzes Leben damit zugebracht, Butterbrote, Sandwiches, belegte Brötchen, Kuchen, Kekse, Pasta, Reis, Cornflakes und Haferflocken zu essen. Egal ob Leberkäs, Tofufrikadelle oder Bismarckhering, die proteinreichen Schnellfutterobjekte kommen nicht nackt daher wie der Matjes in Holland, der einfach am Schwanz gepackt und direkt verschlungen wird, nein, sie werden in Brot oder Brötchen gewickelt wie in England die Fritten in Zeitungspapier.

Wir sind in der Überzeugung groß geworden, daß Müsliriegel gesünder sind als Schokoriegel und daß jede Scheibe Vollkornbrot, die wir verzehren, unser Leben verlängern wird.

In den achtziger Jahren war es „in“ und galt als ernährungstechnisches Optimum, nicht nur Müsli, sondern am besten Körnermüsli aus eingeweichtem Getreide zu essen, sein Getreide selbst zu mahlen und grobschrotiges Brot und Vollkornpizza zu backen.

Ich habe sogar einmal mit einer Freundin Berliner aus Vollkornteig hergestellt. Ehrlich wahr. Obwohl ich Berliner hasse. Aber es war irgendwie cool, weil alternativ und anders, auch wenn die kompakten Hockey-Pucks, die dabei herauskamen, noch ungenießbarer waren als jeder originale fluffige, fettig-süße Berliner.

Und nun soll das alles erst recht ungesund sein.

Ja, was denn nun?

Abwarten, bis die nächste Generation von Ernährungswissenschaftlern herausfindet, daß alles ein Irrtum war und es eigentlich völlig schnuppe ist, was wir essen? Daß wir am besten auf maßgeschneiderte Astronautenkost umsteigen, bei der jeder Nährstoff genau berechnet und normiert ist und garantiert kein Fehler unterläuft, weil keine Anti-Nährstoffe drin sind und keine Pestizide und wir uns nicht den Kopf darüber zu zerbrechen brauchen, wie viel wir wovon essen, weil alles für uns vorberechnet und mundgerecht abgepackt wurde?

Natürlich nicht.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wissen wir nur eines mit Sicherheit über unsere Ernährung und die Mechanismen unserer Futterverarbeitung im Körper: Daß wir noch weit davon entfernt sind, alles zu wissen.

Egal, welche Ernährungsform wir betrachten, die mehr als einen Hundertjährigen hervorgebracht hat, es ergeht uns wie mit den Lehren einzelner Philosophen: Irgendwie haben sie alle recht.

Da ist die Frau, die als junges Mädchen das Persil-Mädchen im weißen Kleid war und mit 90 Jahren erklärt, das Geheimnis ihres langen Lebens und ihrer Fitness im hohen Alter sei, daß sie jeden Tag ein Steak gegessen habe.

Da ist der ebenso alte Kreter, der mit Olivenöl, Fisch und viel Gemüse das gleiche Resultat erzielt hat wie die Persil-Dame mit ihrem Steak.

Da sind die Leute von der japanischen Insel Okinawa, die traditionell vor allem gelbes und grünes Gemüse, Soja und andere Hülsenfrüchte, Süßkartoffeln, Buchweizennudeln, wenig Fisch und mäßig, aber sehr gern Schweinefleisch verzehren und zu einer der Bevölkerungsgruppen mit den ältesten Menschen weltweit zählen.

Da ist Barabara Rütting, die in den 80er Jahren mein Idol in Sachen gesunder Ernährung war und die heute lebender Beweis dafür ist, daß ihre Ideen von Vollwertkost auf jeden Fall für sie funktioniert haben.

Und dann ist da Helmut Schmidt, der kettenrauchend auch mit fast hundert Jahren noch krebs- und alzheimerfrei ist und die Frage aufwirft, ob Gesundheit und langes Leben nun wirklich von Ernährung und Nichtrauchen abhängen, ob sie Glückssache sind oder genetisch bedingt.

Was sie alle meistens gemeinsam haben, ist Mangel an Übergewicht. Weder die Persil-Dame noch der Kreter, die Japaner aus Okinawa, Barbara Rütting oder Helmut Schmidt weisen einen deutlich erhöhten Anteil an Körperfett auf.

Außerdem ist anzunehmen, daß sie nicht die enormen Zuckermengen zu sich nehmen, die heutzutage normaler Bestandteil unserer krank machenden Ernährung sind.

Und genau da liegt der Hund begraben: Auch wenn wir noch immer nicht die letzten Geheimnisse unserer Ernährung und Verdauung gelüftet haben, zeichnet sich doch deutlich ab, welches die Kernprobleme einer Ernährung sind, die offenbar krank macht – zu viel Zucker und zu viel schlechtes Fett, und auf der anderen Seite zu wenig Bewegung.

Völker, die ohne Zivilisationskrankheiten auskommen, haben weder viel Zucker noch viel schlechtes Fett in ihrer Ernährung, aber sie haben meistens recht viel Bewegung.

Wovon genau sie sich ernähren, ist dabei völlig unterschiedlich.

Wenn man einmal alles überblickt, was es an Studien gibt, kristallisieren sich in Hinsicht auf Getreide mehrere Fakten heraus, die teilweise widersprüchlich erscheinen und die ich hier, um ein wenig Licht in den Dschungel aus verwirrenden Widersprüchen zu werfen, in einen logischen Zusammenhang bringen möchte.

Gehen wir zunächst einmal davon aus, daß die vermutlich wirksamste Ernährungsform zur Bekämpfung einer bestehenden Krebserkrankung eine ketogene Diät ist, also eine sehr kohlenhydratarme Diät, die aber reich an Mikronährstoffen sein muß. Eine No-Carb-Diät, die den Krebszellen ihre Ernährungsgrundlage entzieht und dem Körper so viele gute Bau- und Schutzstoffe wie möglich liefert.

Und gehen wir dann weiter davon aus, daß sich zur Prävention von Krebs ganz offensichtlich mehrere völlig verschiedene Ernährungsweisen als wirkungsvoll erwiesen haben, und zwar die gesamte Bandbreite von völlig getreidefrei bis hin zu getreidereich.

Menschen, die viel Vollkorn essen, und Menschen, die nur Weißbrot essen.

Und zugleich trifft der Krebs den mit beinahe religiösem Eifer Vollkornbrot essenden Deutschen ebenso wie den sorglos Weißbrot futternden Amerikaner.

Warum? Was unterscheidet den einen Vollkorn-Esser vom anderen, und warum können Kreter ungestraft ihr Weißbrot essen, während der Amerikaner, Engländer oder Deutsche daraufhin früher oder später an Diabetes oder Krebs erkrankt?

Es gibt Vollkornesser, die außer Vollkorn auch viel Gemüse und Obst essen, die gute Öle zu sich nehmen und auf eine vernünftige Eiweißzufuhr achten. Denen das Vollkorn auch tatsächlich bekommt und die Sport treiben und fit sind.

Dann gibt es Vollkornesser, die verzweifelt mit den Pfunden kämpfen und sich frustriert wundern, warum sie Übergewicht haben und sich nicht wirklich gut fühlen, obwohl sie doch Vollkorn essen und obendrein Sport treiben.

Und schließlich gibt es Menschen, die nur ein Kohlenhydrat anzusehen brauchen, egal ob Vollkorn oder nicht, und schon haben sie ein Kilo zugelegt und ihr Cholesterinspiegel schießt in astronomische Höhen.

Auch wenn unsere Körper grundsätzlich die ungefähr gleichen Anforderungen haben, wie viele Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette und Mikronährstoffe sie benötigen, unterscheiden sie sich doch darin, in welcher Zusammensetzung und Form sie diese am besten aufnehmen und verarbeiten können.

Es gibt tatsächlich Menschen, die am gesündesten sind, wenn sie so wenig Kohlenhydrate wie möglich zu sich nehmen – also möglichst wenig Getreideprodukte, Kartoffeln, süßes Obst und natürlich Zucker. Diese Menschen fühlen sich am besten, wenn sie reichlich gutes Eiweiß, viel stärkearmes Gemüse und gutes Fett essen, und damit halten sie auch ihren Cholesterinspiegel mühelos in einem gesunden Rahmen.

Für diese Menschen ist die Frage nach dem Getreide leicht beantwortet: Am besten vergessen, daß es existiert, außer zu ganz gelegentlichen Ausnahme-Anlässen.

Dann gibt es Menschen, die, wenn sie dabei ausreichend Gemüse und Obst und Eiweiß und nicht zu viel Zucker zu sich nehmen und ihre Gesamt-Kalorienmenge nicht überhöht ist, auch mit Getreide gut zurecht kommen, und zwar im wesentlichen mit allem Getreide.

Und dann gibt es die scheinbar neuerdings wie Pilze aus dem Boden schießenden Unverträglichkeiten gegen Weizen, gegen Gluten, gegen Mais, Reis, Roggen …

Was zu der staunenden Frage bewegt, wie der ackerbauende Mensch es eigentlich von der Steinzeit bis heute geschafft hat, ohne sich mit seiner Ernährung selbst auszurotten.

Plötzlich ist Weizen schlecht und fast alle Menschen haben eine unerkannte Glutenunverträglichkeit, die die Wurzel all ihrer Probleme ist.

Grundsätzlich ist das Geheimnis unseres Erfolges – also unsere atemberaubende Entwicklung vom Faustkeil zum Mikro-Chip – die enorme Anpassungsfähigkeit des Modells Homo sapiens sapiens.

Wir sind in der Lage, die für unser Überleben notwendigen Stoffe aus fast allem zu ziehen, was die Natur uns bietet und was nicht unmittelbar giftig für uns ist. Wir sind Allesfresser, denen ernährungstechnisch die ganze Welt zu Füßen liegt, und die sich deswegen so ziemlich überall durchschlagen können, egal, ob im ewigen Eis, wo es nur Wale, Fische und Seekühe gibt oder im australischen Outback, wo sich eine enorme natürliche Vielfalt an tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln findet.

Das Stichwort hier ist: Natürlich. Von der Natur geschaffen.

Die Probleme beginnen, wenn der Mensch anfängt, der Natur ins Handwerk zu pfuschen. Wenn er versucht, es besser zu machen als die Natur.

Bleiben wir direkt in Australien, das ist ein schönes Beispiel, um sich den Unterschied zwischen „der Natur ins Handwerk pfuschen“ und „handwerkliches Geschick nutzen, um sich die Natur nutzbar zu machen“ zu verdeutlichen.

Die australischen Aborigines stellen seit Jahrtausenden Brot her.

Jaja, das vermutet man auch von den Einwohnern Jerichos, in dessen ältesten Überresten man 10.000 Jahre alte Hinweise auf Ackerbau gefunden hat.

Doch die australischen Aborigines haben bereits vor 50.000 Jahren ihr Busch-Brot hergestellt. Die ältesten Mühlsteine, die man dort gefunden hat, weisen ungefähr dieses Alter auf.

Bloß – die Aborigines waren keine Ackerbauern.

Und ihr Brot bestand auch nicht aus überzüchtetem Hochleistungsweizen. Und mysteriöse Zusatzstoffe enthielt es auch nicht.

Das Brot der Aborigines beweist den Erfindungsgeist des Menschen, der sich die Natur zunutze macht, ohne sie zu verändern oder zu zerstören: Die Menschen verwendeten alle Arten von Samen, Wurzeln, Knollen und Nüssen, um sie zu Mehl zu verarbeiten und daraus ihr Busch-Brot zu backen. Sie tüftelten sogar Wege aus, um Samen genießbar zu machen, die im Rohzustand hochgradig krebserregend sind.

Und neben ihrem Samen-Wurzeln-Knollen-Nüsse-Brot verzehrten sie Kleintiere, Raupen, Larven, und jede Menge wilde Früchte und Gemüse.

Nichts davon war kultiviert, gezüchtet oder künstlich verändert.

Und damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Wieso wird der Kreter mit Weißbrot gesunde 90 und der Amerikaner Diabetiker? Wieso wird Barbara Rütting mit ihrer vorwiegend körnerorientierten Vollwertkost putzmuntere schlanke 87, und die leicht mollige Nachbarin, die doch immer den Körner-Igel im Supermarkt gekauft hat statt das normale Mischbrot, hat mit 50 plötzlich Krebs?

Einmal abgesehen von allen anderen Faktoren wie Pech, Umwelteinflüsse und Streß hat der Kreter abgesehen von seinem Weißbrot jede Menge industriell kaum verarbeitete lebendige Nahrungsmittel gegessen: Viel Gemüse und Obst, gutes Olivenöl, viel Fisch und mäßig Fleisch, das nicht aus Massentierhaltung stammt.

Auch Barbara Rütting nimmt neben Getreide sehr viel Obst und Gemüse sowie den Körper wenig belastende Eiweiße zu sich und denkt nicht einmal über industriell verarbeitete Nahrung nach – außer, um davor zu warnen.

Der Amerikaner hingegen ißt nicht nur sein Weißbrot, sondern nimmt zusätzlich enorme Mengen Zucker, schlechte Fette und unaussprechliche Zusatzstoffe auf. Außerdem ist der Weizen, aus dem sein Brot hergestellt wurde, zu einem Korn gezüchtet worden, das mit seinem natürlichen Vorfahren nicht mehr viel gemeinsam hat.

Das Weißbrot, das ich vor 30 Jahren bei meiner Tante in Italien gegessen habe, wurde vom Bäcker von Hand aus Wasser, Weizenmehl, Hefe und sehr wenig Salz gebacken.

Das Weißbrot, das man heute beim Bäcker bekommt, besteht aus fertigen Backmischungen oder gleich aus Teiglingen, die in Fabriken hergestellt werden und denen alle möglichen Enzyme und sonstigen Stoffe zugesetzt werden, damit sie ohne zu kleben über die Fließbänder zockeln und im Ofen zu perfekt normierten, duftenden Broten aufgehen können.

Und das gleiche Problem hat die Nachbarin, die im Supermarkt zum Vollkornbrot greift statt zum Weißbrot: Auch das konventionelle Vollkornbrot ist ein Industrieprodukt – und außerdem nimmt die Dame trotz des Vollkornbrotes allerhöchstwahrscheinlich in der Gesamtbilanz zu viele Kohlenhydrate, darunter zu viel Zucker und zu wenig Obst und Gemüse, und zu wenig gutes Eiweiß und Fett zu sich.

Unsere zunehmenden Probleme mit Getreide sind im Prinzip auf vier Faktoren zurückzuführen:

  1. Das Korn – also der Weizen – ist durch Züchtung derart verändert, daß es mit dem ursprünglichen Korn eigentlich fast nichts mehr gemeinsam hat.

  2. Das Brot, das heute hergestellt wird, enthält sehr viele Zusatzstoffe („Hilfsstoffe“), die nicht einmal deklariert werden müssen, von denen aber niemand weiß, was sie im Körper bewirken könnten.

  3. Wir essen insgesamt viel zu viele Kohlenhydrate, insbesondere Weißmehl und Zucker.

  4. Wir bewegen uns viel zu wenig, als daß unser Stoffwechsel mit einer solchen Energie-Flut zurecht kommen könnte.

In den frühen 80er Jahren hat mein Mann begonnen, Korn zu keimen. Zum Verdruß seiner Mutter hat er sämtliche Ablageflächen mit Keimgefäßen belagert und die Küche in ein Gewächshaus verwandelt.

Irgendwann im Laufe der Ausbildung und des Berufslebens verliert sich ein solcher jugendlicher Enthusiasmus meistens, was denn auch geschah.

Fünfzehn Jahre später kramten wir das Keimgerät wieder hervor, er holte, wie damals, Weizen aus dem Landhandel, und wir legten los.

Nur keimte der blöde Weizen nicht. Er wußte offenbar nicht, daß er als Samenkorn eigentlich dazu gedacht war, einen Keimling zu produzieren, der dann zu schönem Weizengras heranwächst. Nein, er wurde matschig und – schimmelte.

Schlecht gepflegt, entschieden wir – das Keimgerät war bestimmt nicht richtig sauber.

Nächster Versuch, mit dem gleichen Ergebnis.

Das Keimgerät wanderte wieder in den Schrank, bis eine Bioladen-Besitzerin mir erklärte, man müsse keimfähigen Bio-Weizen nehmen.

Quatsch, befand mein Mann, das ist nur Geldschneiderei. Der „keimfähige Weizen“ aus dem Bioladen ist viel zu teuer, früher ging’s doch auch mit dem normalen preiswerten Weizen aus dem Landhandel.

Ja, früher.

Wir machten uns schlau und erfuhren, daß die Bioladen-Besitzerin recht hatte: Konventioneller Weizen taugt nicht mehr zum Keimen.

Weizen ist ein Massenprodukt. Er wird in riesigen Mengen angebaut – klar, wir essen ja, wie soeben festgestellt, auch massenhaft Backwaren aus Weizen.

Was den meisten Menschen jedoch nicht bewußt ist: 80% der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Weideland und für den Anbau von Futtermitteln genutztes Ackerland.

In den USA werden 67% des angebauten Getreides als Tierfutter verwendet. In Bayern ist es ein Drittel des Ertrages.

Würde man nicht so viel Getreide für die Viehzucht verwenden, könnte man bei den ursprünglichen Spelz-Getreidesorten bleiben, statt die Welt mit hochgezüchtetem Nacktweizen zu überschütten.

Um es klar zu sagen: Wir brauchen kein Getreide, um uns gesund zu ernähren. Die Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften, man müsse unbedingt Vollkornprodukte essen, um zum Schutz vor Dickdarmkrebs ausreichend mit Ballaststoffen versorgt zu sein, sind schlichtweg Unsinn.

Wer viel Gemüse, Obst, Nüsse, Ölsamen und Hülsenfrüchte ißt, ist besser mit Ballaststoffen versorgt als die Dame mit dem Supermarkt-Vollkornbrot.

Letztendlich ist es wie mit der Milch und der Osteoporose: Osteoporose ist dort das größte Problem, wo am meisten Milchprodukte verzehrt werden. Und Darmkrebs ist dort das größte Problem, wo am meisten Vollkorn konsumiert wird. Griechenland und Zypern haben die niedrigste Dickdarmkrebs-Rate in Europa, und das liegt nicht daran, daß dort vor allem Vollkornbrot verzehrt wird.

Wir können uns aber mit Getreide gesund ernähren, wenn wir dabei ein paar Regeln beachten:

  1. Am Anfang sollte die Frage stehen, wie gut wir überhaupt mit Kohlenhydraten zurecht kommen: Bin ich der Typ, bei dem jedes Kohlenhydrat sich sofort in einen Ersatzreifen um die Hüften verwandelt und den Cholesterinwert in die Höhe treibt? Verträgt mein Magen-Darm-Trakt Getreide überhaupt? Fühle ich mich gut, schlecht oder neutral, wenn ich Getreide verzehre?

  2. Komme ich zu dem Schluß, daß mein Organismus gut mit Getreide zurecht kommt, sollte ich mir überlegen, welches Getreide und in welcher Form ich es zu mir nehmen sollte.

  3. Die Dosis macht das Gift: Getreide ja, aber keine Massen und schon gar keine größeren Mengen an industriell hergestellten Weißmehlprodukten (Brot, Pasta, Kuchen, Kekse), außerdem möglichst wenig zusätzlichen Zucker.

  4. Viel, viel Gemüse und Obst.

  5. Möglichst wenig schlechtes Fett.

  6. Möglichst viel gutes Fett (siehe Kapitel Fettquellen).

  7. Ausreichend gutes Eiweiß.

Beginnen wir beim ersten Punkt: Komme ich überhaupt mit Getreide zurecht und wenn ja, mit welchem?

Meine grundsätzliche Empfehlung für jeden, der herausfinden will, welche Ernährungsweise für ihn am besten ist, lautet: Verzichte für eine Weile auf Getreide und Zucker in deinem Speiseplan und hör deinem Körper zu, was er dazu sagt.

Viele Menschen, die einmal diesen Auslaß-Versuch machen, fühlen sich schlagartig besser.

Es mag zunächst schwierig klingen, ein solches Experiment durchzuführen, doch das ist es nicht, wie ich aus eigener Erfahrung versichern kann.

Man kann, wie die Aborigines in Australien, „Brot“ aus gemahlenen Nüssen, Kokosmehl, Sojamehl, Lupinenmehl oder Ölsamen herstellen. Im Zeitalter der Muffin-Form sind innerhalb von 30 Minuten leckere getreidefreie „Brötchen“ hergestellt, die man benutzen kann, wenn es schnell gehen soll.

Ich habe im Selbstversuch mehrere Wochen von Tomate mit Mozzarella oder Joghurt mit Erdnußmus, Kokosmehl, gemahlenen Leinsamen, Chia-Samen, Früchten und Sonnenblumenkernen zum Frühstück, Gemüse oder Salat mit Tofu, Fisch, Eiern oder Geflügel zum Mittagessen und getreidefreien Muffins mit Ziegenkäse, selbst gezogenen Sprossen (Kresse, Brokkoli, Radieschen) oder selbst gemachter Bohnen-Pastete zum Abendessen gelebt und mich blendend gefühlt. Was kein Wunder war, da ich kein Gluten vertrage und als passionierte Vollkornbrot-Esserin langsam aber sicher eingegangen bin wie eine Primel ohne Wasser.

Das habe ich durchgehalten, bis ich die Sache mit dem Gluten entdeckte.

Danach habe ich angefangen, mit glutenfreiem Getreide zu experimentieren.

Und genau das würde ich auch jedem anderen empfehlen: Wenn Sie eine Weile ohne Getreide gelebt haben und sich gut fühlen, jedoch überlegen, daß Sie doch ganz gern ein wenig Getreide essen würden, starten Sie mit glutenfreiem Getreide.

Da Getreide ebenso wie Hülsenfrüchte Phytinsäure enthält, die die Aufnahme von Mineralien im Körper behindert, empfehle ich bei Vollkorn das gleiche wie bei Hülsenfrüchten: Weichen Sie es zumindest 24 Stunden vor dem Verzehr ein, und noch besser, keimen Sie es leicht an.

Der einfachste Weg zu probieren, ob Getreide für Sie sinnvoll ist, besteht darin, mit ein wenig Vollkornreis zu beginnen.

Weichen Sie den Reis 24 Stunden ein, gießen Sie das Einweichwasser weg, weichen Sie den Reis dann noch einmal für 24 Stunden mit frischem Wasser ein und kochen Sie ihn danach in frischem Wasser weich.

Wenn Sie sich nach dem Verzehr immer noch gut fühlen, probieren Sie als nächstes ein wenig Quinoa. Quinoa braucht nur etwa 12 Stunden, bis er schon zu keimen beginnt. Waschen Sie ihn danach gut ab und kochen Sie ihn weich.

Wenn Sie nach ein paar Tagen mäßigen Getreidekonsums feststellen, daß Sie sich weiterhin gut fühlen – nicht unterzuckern, keine Magen-Darmbeschwerden haben, nicht sprunghaft zunehmen und auch nicht müde und schlapp sind – dann können Sie einmal im Bioladen ein Brot aus Dinkel, Emmer, Einkorn oder Kamut oder ein paar Kamut-Nudeln erwerben und ausprobieren, wie es Ihnen damit geht.

Diese Ur-Weizenarten enthalten Gluten; wenn Sie also tatsächlich ein Problem mit Gluten haben sollten, werden Sie das nicht vertragen. In dem Falle wäre es angeraten zum Arzt zu gehen und abzuklären, ob Sie möglicherweise tatsächlich an einer echten Zöliakie beziehungsweise Sprue leiden und lebenslang strikt auf Gluten verzichten müssen.

Bei einer echten Zöliakie wird die Darmschleimhaut durch das Gluten quasi „weg rasiert“, was auf Dauer im schlimmsten Fall zu Darmkrebs führen kann, aber auch zu allen Arten von Auto-Immunerkrankungen.

Ist das nicht der Fall, könnte es sein, daß Sie an einer Gluten-Intoleranz leiden, die im Gegensatz zur Zöliakie die Darmschleimhaut nicht zerstört, jedoch zu ähnlich heftigen Reaktionen führen kann wie eine echte Zöliakie. Hier muß nicht lebenslanger strikter Verzicht auf Gluten erfolgen. Spuren von Gluten werden möglicherweise toleriert, und die Intoleranz kann nach einer gewissen Zeit auch wieder verschwinden. Hier hat man die Möglichkeit, ein wenig zu experimentieren, was bei echter Zöliakie nicht geht.

Vertragen Sie Dinkel, Einkorn, Emmer oder Kamut, gibt es keinen wirklich zwingenden Grund, darauf zu verzichten.

In letzter Zeit ist sehr viel Wirbel um den „bösen Weizen“ entstanden, der für alle unsere Zivilisationskrankheiten verantwortlich sein soll.

Grundsätzlich sollte man immer skeptisch sein, wenn ein einziges Produkt als Wurzel allen Übels angeprangert wird. Insbesondere, wenn es um ein Produkt geht, das seit Jahrtausenden im Gebrauch ist und von vielen durchaus gesunden Menschen verzehrt wird, wie ja bereits dargelegt.

Es geht im Prinzip immer nur um den konventionellen Weizen, den wir in Form von Brot, Brötchen, Pasta, Pizza, Kuchen und Keksen täglich in großer Menge zu uns nehmen. Durch Züchtung stark veränderter Weizen in Zubereitungen, die nur so von weiteren ungesunden Substanzen strotzen: Zucker, schlechte Fette, modifizierte Eiweißstoffe, Enzyme, deren Wirkung auf den Körper wir noch gar nicht einschätzen können, Stabilisatoren, Aromen und sonstige Zusatzstoffe.

Natürlich nehmen Menschen ab und fühlen sich besser, die das alles plötzlich weglassen; das muß nicht zwangsläufig daran liegen, daß sie nicht mehr den für den Weizen spezifischen Eiweißen ausgesetzt sind. In manchen Fällen ist das sicherlich zutreffend, aber eben höchstwahrscheinlich nicht in allen.

Viele Menschen stellen fest, daß sie Bio-Weizen sehr wohl ebenso vertragen wie die Urformen Dinkel, Emmer, Einkorn und Kamut. Sie vertragen auch Roggen und Gerste problemlos.

Wenn Sie zu dem Schluß gekommen sind, daß Sie zu dieser Fraktion gehören, bauen Sie Bio-Getreide nach dem Motto „Die Dosis macht das Gift“ in ihren Speiseplan ein.

Lassen Sie industriell hergestellte Backwaren und Zucker weg und essen Sie Bio-Getreide in Maßen: Der Gemüse-Anteil der Ernährung sollte immer höher sein als der Getreide-Anteil.

Hier noch einmal zusammengefaßt die Punkte, die Sie beachten sollten, wenn Sie Getreide auf gesunde Weise in Ihre Ernährung einbauen wollen:

  1. Ermitteln Sie, ob und wie viel Getreide Sie vertragen. Achten Sie dabei darauf, ob Sie sich müde und benebelt oder fit fühlen, Magen-Darm-Probleme haben oder nicht, eventuell Hautprobleme, Gelenkprobleme, ob Sie dazu neigen zu unterzuckern, ob Ihr Cholesterinwert hoch ist, ob Sie unerwünscht Gewicht zulegen oder verlieren.

  2. Ermitteln Sie, ob Sie Gluten vertragen oder nicht. Wenn nicht, probieren Sie aus, ob Sie sich mit glutenfreiem Getreide gut fühlen oder ob es Ihnen erst richtig gut geht, wenn Sie alles Getreide weglassen.

  3. Verzichten Sie auf Stärke, Weißmehl, industriell hergestellte Backwaren und Zucker.

  4. Ermitteln Sie die Bio-Getreide, mit denen Sie sich gut fühlen, und verzehren Sie sie maßvoll – von drei Mahlzeiten sollte mindestens eine ohne Getreide auskommen.

  5. Streichen Sie möglichst alles von Ihrem Speisezettel, was industriell stark verarbeitet ist. Je naturbelassener Ihre Nahrung ist, desto besser.

  6. Sollten Sie kein Vollkornbrot vertragen, sich dafür aber mit Weißbrot gut fühlen: das ist nicht optimal, aber okay, wie der Kreter beweist, wenn Sie sich auch sonst wie ein Kreter verhalten: Viel Gemüse, viel Obst, viel gutes Fett, gutes Eiweiß, wenig bis kein Zucker und keine industriell hergestellten Fertigprodukte und möglichst wenig Streß. Backen Sie Ihr Weißbrot selbst aus Bio-Mehl, Wasser, Hefe und wenig Salz und verzehren Sie es in Maßen. Und – bewegen Sie sich.

  7. Verwenden Sie so oft wie möglich gekeimtes Getreide. Der gesundheitliche Mehrwert ist enorm. Inzwischen gibt es auch Brot und Mehle aus gekeimtem Getreide. Wenn Sie bisher kein Vollkorn vertragen konnten, könnte gekeimtes Getreide der Schlüssel sein, wie Sie es vielleicht doch vertragen.

  8. Essen Sie nur, wenn Sie hungrig sind und nur, bis Sie so gerade knapp satt sind. Das ist eines der wichtigsten Geheimnisse hundertjähriger Menschen.

  9. Treiben Sie regelmäßig aeroben Sport (Joggen, Walking); unser Körper kommt nur dann wirklich gut mit einem vermehrten Angebot an Kohlenhydraten zurecht, wenn der Stoffwechsel auf „Verbrennung“ steht. Wenn Sie zur kategorischen „No Sports“-Fraktion gehören, sollten Sie auf eine weitgehend kohlenhydratfreie Ernährung umsteigen, um gesund zu bleiben.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Getreide gemacht? Haben Sie besondere Ideen und Hinweise, wie man Getreide auf gesunde Weise in seine Ernährung einbauen kann? Teilen Sie sie mit uns!

Fortsetzung folgt mit Infos zu einzelnen Getreide- und Pseudo-Getreidesorten und Tips zur Verarbeitung.

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