Chia-Samen

Chia-Samen

Der Begriff „Superfood“ wird von der Wissenschaft eher mit Stirnrunzeln betrachtet, hat aber inzwischen in unseren Sprachgebrauch völlig selbstverständlich Einzug gehalten.

Wir neigen dazu, immer nach der Lösung für alle Probleme zu suchen, nach dem Wundermittel, das alles heilt. Und so suchen wir auch ständig nach dem Nahrungsmittel, dessen Verzehr uns ewige Gesundheit verspricht.

Das Zeitalter der Globalisierung hat uns Zugriff auf Nahrungsquellen ermöglicht, die uns bis vor hundert oder teilweise sogar fünfzig Jahren noch verschlossen blieben. Nahrungsmittel anderer Völker, die im jeweiligen Land so alltäglich sind wie bei uns Grünkohl und Möhren, finden ihren Weg zu uns, und weil sie neu und fremd sind, finden sie natürlich sehr viel mehr Aufmerksamkeit als der olle Grünkohl (obwohl der inzwischen mit Fug und Recht auch zum Superfood avanciert ist).

Eigentlich haben wir hier auch sonst noch jede Menge Superfoods, abgesehen von Grünkohl, nur leider sind deren Superkräfte großen Teils moderner Züchtung zum Opfer gefallen, oder sie sind in Vergessenheit geraten, weil sie nicht oder nicht mehr kultiviert werden.

Jedenfalls geraten die exotischen Nahrungsmittel ins Rampenlicht, und da sie meistens eben nicht in die Mühlen moderner Züchtung geraten, sondern mehr oder weniger so geblieben sind, wie der Schöpfer sie hat wachsen lassen, hatten sie das Glück, ihre Superkräfte zu behalten.

Und wir haben nun das Glück, Zugriff darauf zu haben. Alles hat zwei Seiten – auch die oft gescholtene Globalisierung.

Wie den meisten Produkten, die in den Himmel gejubelt werden, ist auch den Chiasamen inzwischen widerfahren, was der ersten Euphorie unausweichlich folgt: Skepsis.

Plötzlich werden Stimmen laut, die Zweifel anmelden, ob Chiasamen wirklich so gut sind oder ob sie nicht möglicherweise doch schädliche Nebenwirkungen haben. Hatten wir das nicht auch mit Soja, Milch, Getreide, Hülsenfrüchten … ?

Wie gesagt, alles hat zwei Seiten, zumindest in unserer Ecke des Universums: Kein Licht ohne Schatten.

Und das ist nun kein müßiges Philosophieren, sondern nüchterne Wissenschaft.

Erstens, natürlich hat alles, was eine Wirkung hat, auch eine Nebenwirkung.

Zweitens, Nebenwirkungen sind auch nur Wirkungen – sozusagen die zweiten, dritten vierten usw. Wirkungen, die halt nur manchmal nicht die sind, die wir eigentlich wollten, als wir die „Hauptwirkung“ entdeckten.

Die Frage ist immer, was überwiegt: Nutzen oder Schaden? Und wenn Schaden, ab welcher Menge? Die Dosis macht bekanntlich das Gift. Um einen Allgemeinplatz zu bemühen: Auch Wasser kann tödlich sein, wenn man es überdosiert. Nur ist es fast unmöglich, unter normalen Umständen an diese Überdosierung auch nur annähend heran zu kommen.

Was also sind die Superkräfte der Chiasamen, und was daran könnte potentiell problematisch werden?

Chiasamen sind die Samen einer Salbeipflanze mit dem Namen Salvia hispanica, die ursprünglich aus Mexiko und Guatemala stammt, mittlerweile jedoch weltweit angebaut wird. Chiasamen gehören zu den Pflanzen mit dem höchsten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, was wohl der Hauptgrund dafür ist, daß sie in den Stand eines Superfood erhoben wurden.

Ferner enthalten sie Kohlenhydrate fast ausschließlich in Form von unverdaulichen Ballaststoffen (Polysacchariden), die für die enorme Wasserbindungsfähigkeit der Samen verantwortlich sind: Sie können bis zum Zwölffachen ihres Eigengewichtes an Wasser binden. Dabei bildet sich eine Art Gel, mit dem Flüssigkeiten angedickt werden können.

Hier die wichtigsten Inhaltsstoffe im Überblick:

Nährwertinformationen pro 100 g Chia Saat:

Brennwert 524 kcal (2194 KJ)

Gesamtfettgehalt 31,4 g

Gesättigte Fettsäuren 3,1 g

Transfettsäuren 0 g

Omega-6 Fettsäuren 5,9 g

Omega-3 Fettsäuren 20,36 g

einf. ungesättigte Fettsäuren 2,1 g

Cholesterin 0 g

Kohlenhydrate 37,5 g

Ballaststoffe, gesamt 33,7 g

lösliche Ballaststoffe 4 g

unlösliche Ballaststoffe 29,7 g

Protein 21,2 g

Mineralstoffe pro 100 g in mg:

Bor 0,03

Calcium 500

Eisen 6,5

Kalium 600

Kupfer 1,5

Magnesium 290

Natrium < 0,3

Phosphor 535

Selenium < 0,2

Zink 5

Bei den prä-kolumbianischen Zivilisationen Mexikos soll Chia neben Mais und Quinoa eines der Hauptnahrungsmittel gewesen sein, und wie wir wissen, sind diese nicht an ihren Ernährungsgewohnheiten zugrunde gegangen.

Noch heute werden Chiasamen in Mexiko gern und regelmäßig in Form eines Erfrischungsgetränks namens Chia fresca konsumiert, bei dem Chiasamen mit Zitronensaft, Wasser und Zucker, oft auch mit Gemüsesaft vermischt werden. Auch werden die gerösteten und dann gemahlenen Samen für Pinole benutzt, ein ursprünglich aus gerösteten und gemahlenen Maiskörnern hergestelltes Getränk, das eine Art Mittelding zwischen Brei und Getränk darstellt und noch immer ein wichtiger Bestandteil der alltäglichen Ernährung in Mexiko ist.

Zu Berühmtheit gelangten Chiasamen als Power-Nahrung für Läufer durch den Bericht Christopher McDougalls über das Volk der Tarahumara in Mexiko, das für seine Extrem- Langstreckenläufer berühmt ist. In seinem Buch „Born to run“ beschreibt er Chia fresca oder Iskiate als eines der Geheimnisse der Ausdauer der Tarahumara-Läufer.

Tatsächlich sättigt Chia-Gel aufgrund der vielen Faserstoffe nicht nur sehr gut, sondern versorgt den Körper mit anhaltender Energie, weil es eben durch die vielen Faserstoffe langsam verarbeitet wird.

Eindeutig belegt ist, daß der Verzehr von Chiasamen den Blutzuckerspiegel senkt beziehungsweise für einen langsameren Anstieg des Blutzuckers sorgt sowie einer Insulinresistenz entgegenwirkt, was vermutlich auf die unverdaulichen Faserstoffe zurückzuführen ist.

Dies bestätigen auch Erfahrungsberichte von Diabetikern.

In Tierstudien konnte ferner nachgewiesen werden, daß der Konsum von Chiasamen den Triglycerid und LDL-Spiegel im Blut senkt und gleichzeitig den HDL-Spiegel wünschenswert anhebt.

Erfahrungsberichte zeigen auch, daß Bluthochdruck sich durch regelmäßigen Konsum von Chiasamen positiv beeinflussen läßt.

Das, was unter anderem plötzlich in die Kritik geraten ist, sind nun ausgerechnet die Omega-3-Fettsäuren. Warum?

Omega-3-Fettsäuren ist der Oberbegriff für eine Gruppe von Fettsäuren, zu denen ALA (Alpha-Linolensäure), DHA (Docosahexaensäure) und EPA (Eicosapentaensäure) gehören. Nach derzeitigem Forschungsstand sind DHA und EPA das, was wir unbedingt benötigen. EPA kommt in allen Lebewesen vor, also nicht nur in Lachs, Hering und Thunfisch, sondern in jedem Lebewesen, einschließlich des Menschen, da es für viele verschiedene Stoffwechselfunktionen benötigt wird, darunter Blutgerinnung, Immunsystem, Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz – und zur Synthese von DHA.

EPA wiederum kann im Körper aus ALA synthetisiert werden. Auch dazu ist die Studienlage nicht klar, es ist bisher unsicher, ob 5-10% der ALA in EPA umgewandelt werden oder lediglich weniger als 5%.

Einigermaßen klar scheint zu sein, daß Menschen, deren Ernährung viel fetten Fisch wie Lachs, Hering oder Thunfisch enthält, hohe EPA-Spiegel im Gewebe aufweisen.

Ziemlich eindeutig ist laut Studienlage auch, daß Menschen mit hoher EPA-Aufnahme ein verringertes Risiko für verschiedene Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunkrankheiten haben.

ALA nun, die in Pflanzen enthaltene Form der Omega-3-Fettsäuren, ist in den Ruf geraten, das Krebsrisiko zu erhöhen, weil es in Studien Hinweise darauf gab, daß vermehrte Aufnahme von ALA aus pflanzlichen Quellen mit einem erhöhten Risiko für fortgeschrittenen Prostatakrebs einhergeht.

Allerdings räumen die Forscher ein, daß nicht klar ist, ob möglicherweise das zusätzlich konsumierte rote Fleisch und die vermehrte Aufnahme von Fetten in Form von Mayonnaise-artigen Salatdressings zu diesem Befund beitragen.

Soweit ich es überblicken kann, handelte es sich bei den aufgetretenen Fällen nicht um Menschen, die regelmäßig Chiasamen, Leinsamen, rohe Walnüsse und grünes Blattgemüse verzehrt und auch sonst ein bemerkenswert gesundes Leben geführt haben, sondern Personen, deren Ernährung in der ASD (American Standard Diet, amerikanische Standard-Ernährung) bestand.

Zum Vergleich: Die Diät der Kreter ist reich an ALA, da sie reich an grünem Blattgemüse und Nüssen ist. Messungen haben gezeigt, daß der ALA-Blutspiegel der Kreter vergleichsweise hoch ist. Dennoch tritt fortgeschrittener Prostatakrebs nicht in besonders hohem Maße dort auf.

Davon abgesehen attestiert eine andere Studie Leinsamen, die ja nun ebenfalls reich an ALA sind, eine das Tumorwachstum hemmende Wirkung bei bereits bestehendem Prostatakrebs.

Und auch sonst gibt es keine Hinweise darauf, daß eine an Alpha-Linolensäure reiche Ernährung in irgendeiner Weise schädlich sein könnte, im Gegenteil.

Selbstverständlich gibt es Menschen, die Chiasamen nicht vertragen. Das gilt jedoch für jedes andere Lebensmittel auch. Fructo-Oligosaccharide wie Inulin gelten als äußerst förderlich für eine gesunde Darmflora; dennoch gibt es Menschen, die diese absolut nicht vertragen und im Gegenteil krank werden, wenn sie sie zu sich nehmen.

Ebenso wirken Chiasamen nicht bei jedem Menschen in gleicher Weise vorteilhaft auf die Darmflora, da nun einmal das Innenleben jedes Menschen verschieden ist.

Es gibt keinen schlüssigen Beweis, daß Chiasamen in vernünftiger Dosierung die Darmflora schädigen oder gar, wie teilweise behauptet, zu einem Leaky-Gut-Syndrom führen. Daß jemand, der nicht gut mit vielen Faserstoffen zurecht kommt, höchstwahrscheinlich mit Chiasamen Probleme haben wird, liegt auf der Hand.

Allerdings finden sich sehr viele Erfahrungsberichte von Personen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, denen der Konsum von 10-20 Gramm Chiasamen täglich ausgesprochen gut tut.

Chia-Kritiker beziehen sich mit schöner Regelmäßigkeit auf den Begründer des „Paleo Movement“ Dr. Loren Cordain, der Chiasamen heftig unter Beschuß nimmt.

Heftig und leider auch sehr unsachlich, denn die von ihm zitierten Studien werden entweder falsch wiedergegeben oder unvollständig.

Offensichtlich auf seiner Darstellung fußend findet sich immer wieder die Behauptung, eine Studie habe gezeigt, daß täglicher Verzehr großer Mengen (50 Gramm, eine ohnehin unrealistische Menge) von Chiasamen zu einem Anstieg bestimmter Entzündungsmarker im Blut führe.

Das ist sachlich falsch. Die zitierte Studie zeigt eindeutig keine signifikante Veränderung bei Entzündungsmarkern. Dafür zeigt eine spätere Studie des gleichen Forschers (David Nieman) gehobene ALA- und EPA-Blutspiegel bei Personen, die 25 Gramm gemahlene Chiasamen täglich verzehrt haben. Dies wurde durch eine andere Studie mit postmenopausalen Frauen belegt.

Somit ist auch gleich erwiesen, daß die pflanzliche Alpha-Linolensäure durchaus im Körper in EPA umgewandelt wird, sofern die Samen gemahlen sind, was die Fettsäuren für den Körper leichter verfügbar macht.

Ebenfalls auf Dr. Cordain Bezug nehmend wird der hohe Phosphorgehalt der Samen kritisiert, der auf einen hohen Gehalt an Phytinsäure hinweist, die ja antinutritiv wirkt, also die Aufnahme der Mineralien, die in den Samen enthalten sind, behindert.

Da Chiasamen Samen sind und Samen immer Phytinsäure enthalten, ist das unbestreitbar, doch muß man dazu sagen, daß bisher gar nicht klar ist, inwieweit dies tatsächlich ein Problem darstellt, da pflanzliche Nahrung immer auch Antinutrientien enthält. Mittlerweile tendiert die gängige Meinung dahin, daß sich bei einer ausgewogenen Ernährung Nutrientien und Antinutrientien die Waage halten – Vegetarier müßten sonst ausgesprochen kranke Menschen sein, doch tatsächlich sind Vegetarier im Durchschnitt gesünder als Fleisch verzehrende „Allesfresser“.

Um nun auch noch das letzte Argument zu entkräften, das gegen Chiasamen sprechen könnte: Der hohe Gehalt an leicht verderblichen mehrfach ungesättigten Fettsäuren soll die Samen anfällig für Schimmel machen und sie schnell „ranzig“ werden lassen.

Auch dies dürfte sachlich nicht richtig sein, da Chiasamen eine beträchtliche Menge an Antioxidantien (Polyphenole) aufweisen, die der Oxidation von Fett, also dem „Ranzigwerden“ entgegenwirken.

Meine persönliche Erfahrung dazu ist, daß Chiasamen auch nach drei Jahren im Küchenschrank nicht einmal annähernd ranzig schmeckten.

Alles in allem sind Chiasamen eine wertvolle Protein-, Omega-3-, Mineral- und Ballaststoffquelle für Vegetarier und auch für Menschen mit einer omnivoren Ernährung.

Alle bisherigen Studienergebnisse und praktischen Erfahrungen lassen darauf schließen, daß regelmäßiger Verzehr von Chiasamen sowohl hinsichtlich Krebs-, als auch Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen sowie Diabetes definitiv positive Auswirkungen hat und sowohl in einer kurativen als auch präventiven Ernährung einen Platz finden sollte.

Ganz besonders nützlich sind Chiasamen innerhalb einer ketogenen Anti-Krebs-Ernährung, da sie ja nicht nur gute Eiweiße und Fette liefern, sondern aufgrund ihrer unverdaulichen Faserstoffe auch zur Ballaststoffversorgung beitragen und darüber hinaus den Blutzuckerspiegel günstig beeinflussen.

Ein paar praktische Tips zur Verwendung von Chiasamen:

  • Um eine „Pudding-Konsistenz“ zu erhalten verwendet man 2 Eßlöffel (20 Gramm) pro 125 ml Flüssigkeit.

  • Die Nährstoffe sind besser für den Körper aufnehmbar, wenn die Samen gemahlen sind.

  • Wenn man die Samen, gemahlen oder ungemahlen, in Flüssigkeit gerührt hat, sollte man nach fünf Minuten noch einmal gründlich rühren, damit es nicht einen dicken Klumpen gibt, sondern ein gleichmäßiges Gel.

  • Wer etwas zur Reduktion des Phytinsäuregehaltes tun möchte, sollte sein „Gel“ ganz einfach über Nacht oder auch für 24 Stunden im Kühlschrank stehen lassen. Das finde ich sogar besonders schön, wenn man einen mit Vanille, anderen Gewürzen oder abgeriebener Zitrusfrucht-Schale aromatisierten Pudding herstellen möchte. Das Aroma wird viel intensiver, wenn man den Pudding gleich einen ganzen Tag im Kühlschrank durchziehen läßt.

  • UNBEDINGT genug Wasser trinken, wenn man Chiasamen verzehrt. Eine große Menge an Ballaststoffen benötigt viel Flüssigkeit, um quellen zu können – gerade Chiasamen, die ja eine so enorme Wasserbindefähigkeit haben. Ballaststoffe mit zu wenig Flüssigkeit können üble Krämpfe und üble Verstopfung verursachen.

    Kaufen im Shop >

Und hier geht es zu einem etwas extravaganteren Chia-Pudding-Rezept, das zugleich auch keto-tauglich ist.

Dieser Beitrag wurde unter Ernährungs-Tipps abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar